Verkehr:Endlich Vorfahrt für Fußgänger

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13 Jahre nach dem Bürgerentscheid gegen ein autofreies Freisinger Zentrum soll der Verkehr jetzt zumindest aus dem Kernbereich der Altstadt verbannt werden. Probleme bereiten dabei allerdings die Linienbusse

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Stadt Freising bekommt eine Fußgängerzone. Immerhin von der Amtsgerichtsgasse bis zur Bahnhofstraße und ein Stück die Ziegelgasse hinauf soll sie reichen. Hauptstraße, Bahnhofstraße, Amtsgerichtsgasse, Weizengasse, General-von-Nagel-Straße und Heiliggeistgasse werden zum verkehrsberuhigten Bereich. Alle Einbahnstraßenregelungen in der Altstadt sollen aufgehoben werden. Nicht geben wird es aus verkehrsrechtlichen Gründen die in der neuen Innenstadtkonzeption eigentlich vorgesehene Begegnungszone nach Schweizer Vorbild. Trotzdem versprechen sich Stadträte und -planer von den am Mittwoch im Planungsausschuss einstimmig beschlossenen Maßnahmen endlich die ersehnte Aufwertung der Altstadt - auch wenn der Busverkehr, der weiter durch die Fußgängerzone fahren soll, manch einem Kopfzerbrechen bereitet.

Die Innenstadtkonzeption, an der in Freising seit gut fünf Jahren gearbeitet wird, hatte die Begegnungszone als optimale Lösung für die Stadt identifiziert, weil diese Klassifizierung ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer ermöglichen würde. Busse, Taxen und Autos könnten zwar weiter durch die Innenstadt fahren, müssten sich aber auf Tempo 20 beschränken und Rücksicht auf Radler und Fußgänger nehmen. Doch das deutsche Verkehrsrecht lässt eine derartige Regelung derzeit nicht zu, wie es im Ausschuss hieß. Für die Freisinger Innenstadt wäre das lediglich als Modellprojekt denkbar gewesen, doch das würde einen hohen Verwaltungsaufwand und zeitliche Verzögerungen nach sich ziehen.

In der Vergangenheit sind alle Versuche, Autofahrer aus der Freisinger Innenstadt zu verbannen, gescheitert. Nun wird ein neuer Anlauf unternommen. (Foto: Einfeldt)

Die von den Verkehrsexperten des Ingenieurbüros Transver nun vorgeschlagene Lösung komme der Begegnungszone am nächsten, hieß es am Mittwoch bei der Präsentation im Ausschuss. Die kleine Fußgängerzone im Kernbereich der Altstadt wäre nur noch für Radfahrer und die städtischen Linienbusse frei, Lieferverkehr würde beispielsweise zwischen 5 und 10 Uhr ermöglicht. Empfohlen wird diese Variante von Transver, nachdem das Büro für die Stadt Freising 2013 die Verkehrsströme in der Innenstadt ermittelt hat. Wenig überraschend kam man zu dem Ergebnis, dass die Altstadt "relativ stark mit Durchgangsverkehr belastet" sei - doch die tatsächlichen Zahlen sind erschreckend: Allein am Marienplatz sitzen in 50 Prozent der 1800 Fahrzeuge am Tag Autofahrer, die in der Stadt gar nichts wollen.

Mit der Fußgängerzone soll dem nun im Sinne des Wortes ein Riegel vorgeschoben werden. Weitere Vorteile der Regelung: Es sind nur wenige Schilder erforderlich, der erwünschte Rad- und Busverkehr bleibt möglich und die spätere Umwidmung in einer Begegnungszone bleibt als Option erhalten. Außerdem können mit diesem Verkehrskonzept auch die Gestaltungsideen des Berliner Büros "ST raum a" umgesetzt werden. Deren Planer haben bekanntlich Anfang 2014 den Realisierungswettbewerb für die Umgestaltung der Innenstadt für sich entschieden - inklusive Öffnung der Moosach an der Oberen Hauptstraße.

Veränderungen wird es allerdings im städtischen Linienbusverkehr geben - und hier warten auf die Planer auch noch zahlreiche ungelöste Probleme. Weil auch Busse in einem verkehrsberuhigten Bereich maximal sieben Stundenkilometer schnell fahren dürfen, wird sich die Fahrzeit durch die Stadt verlängern. Stadtdirektor Gerhard Koch schätzte das auf fünf bis sieben Minuten. Das könnte den Busverkehr für manch einen Fahrgast unattraktiver werden lassen. Zusätzliche Fahrten würden Mehrkosten von bis zu 300 000 Euro verursachen. Zusammen mit den Kosten für neue Fahrzeuge, die man brauche, könnten sich die jährlichen Verluste auf eine Million summieren, warnte er: "Das ist die Kröte, die man schlucken muss."

In der Diskussion zeigte sich, dass auch die Stadträte mit der neuen Situation für die Stadtbusse nicht zufrieden sind. Sebastian Habermeyer (Grüne) erklärte, dass eine attraktivere Innenstadt nicht zu Lasten des ÖPNV gehen dürfe. Stattdessen müsse es hier "am Ende zwei Sieger geben", forderte er. Von seinen Kollegen wurden andere Linienführungen oder Pendelbusse vorgeschlagen, Verkehrsreferent Robert Weller (FW) regte im Scherz sogar eine Straßenbahn für die Innenstadt an, räumte aber ein, dass diese kaum finanzierbar wäre. Trotz vieler offener Fragen wurde die Verwaltung am Ende einstimmig beauftragt, nun die weiteren Planungsschritte in Angriff zu nehmen - und auch für den Stadtbusverkehr noch einmal neu zu denken.

© SZ vom 02.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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