Verhandlung am Verwaltungsgericht:Polizeieinsatz bei NPD-Kundgebung rechtens

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Richterin hält Vorgehen der Beamten nach massiven Gegenprotesten für angemessen. Auslöser des Eingreifens war das Abspielen der ersten zwei Strophen des Deutschlandlieds

Von Peter Becker, Freising/München

Hoch hergegangen ist es am 9. November des vergangenen Jahres während einer NPD-Kundgebung in Freising. Weil dort die erste und zweite Strophe des Deutschlandlieds sowie eine Ballade mit SS-Slogan gespielt wurde, suchten Gegendemonstranten die Konfrontation mit den Nationaldemokraten. Freisings Polizeichef Ernst Neuner wies den "DJ" der NPD an, die Musikanlage auszuschalten, um eine Eskalation zu vermeiden. Die Kundgebung war daraufhin ganz beendet worden. Der NPD-Kreisvorsitzende Björn Balbin fand, dass diese Unterbrechung rechtswidrig gewesen sei und klagte vor dem Münchner Verwaltungsgericht. Vorsitzende Richterin Gertraud Beck wies ihn darauf hin, dass der Einsatz der Polizei situationsbedingt angemessen gewesen sei und seine Klage keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Balbin zog diese deshalb zurück, um Kosten für den Kreisverband zu sparen.

Der Vorsitzende des NPD-Kreisverbands sagte, er habe keineswegs geklagt, "um jemand eine reinzuwürgen". Er wolle nur die Gewährleistung dafür haben, dass die NPD in Freising künftig ungestört Versammlungen veranstalten könne, ohne über Gebühr von Gegendemonstranten gestört zu werden. Dazu zählt er auch den anhaltenden Lärm von Trillerpfeifen. Balbin bekundete, dass die Kundgebungen der Freisinger NPD quasi durchkomponiert seien. Dazu gehören provokante Reden und "als krönender Abschluss" das Abspielen des Deutschlandliedes.

Just in jenem Augenblick, bedauerte Balbin, sei die Musik verstummt, als der Refrain "Einigkeit und Recht und Freiheit" erklang. Zuvor waren jedoch die erste und zweite Strophe des Deutschlandlieds erklungen, was die Gegendemonstranten zum Sturm auf die NPD-Leute bewog. Nur eine "Polizeikette" zwischen den Gegendemonstranten von "Freising ist bunt" und dem Standort der Neonazis verhinderte Schlimmeres.

Polizeichef Neuner sagte als Zeuge, er habe auf den Musikverantwortlichen der NPD - der über Bayern hinaus bekannte Funktionär ist mittlerweile wegen Abspielens des SS-Slogans - zu einer Geldstrafe verurteilt - eingewirkt, die Musik abzuschalten. Die Polizei wolle prüfen, ob das Abspielen des Deutschlandlieds rechtmäßig sei oder nicht. Dann könne die Veranstaltung fortgesetzt werden. Der "DJ" habe nur widerwillig gehorcht und wollte eigenmächtig die Kundgebung beenden. Neuner beschied ihm, das könne nicht er, sondern nur der Kreisvorsitzende entscheiden. Björn schloss sich der Entscheidung seines DJ-Parteifreunds an. Allerdings wäre nach dem Abspielen des Deutschlandlieds ohnehin Schluss gewesen, sagte er vor dem Verwaltungsgericht.

Nun ist das Abspielen der ersten und zweiten Strophe nicht unbedingt verboten. Die Vorsitzende Richterin erläuterte, dass dies der Fall sei, wenn dies an geschichtsträchtigen Orten oder Tagen geschehe, die mit dem Nationalsozialismus in Verbindung stünden. Nun hatte die NPD ihre Veranstaltung dem Mauerfalls gewidmet und nicht der Reichspogromnacht. Beide fallen auf den 9. November.

Die Nationalhymne der Bundesrepublik besteht aber nur aus der dritten Strophe. Darauf hatten sich Bundeskanzler und Bundespräsident nach der Wiedervereinigung geeinigt. Das Abspielen der ersten und zweiten Strophe des Deutschlandlieds hatte die Gegendemonstranten in Rage gebracht. Deren Anzahl hatte Neuner überdies überrascht. Etwa 170 NPD-Gegner waren gekommen, weitaus mehr als üblich. Sonst seien es stets zwischen 70 und 120 Personen gewesen, sagte Neuner. Dies legte er bei seiner Lagebeurteilung zu Grunde, weshalb bei der Kundgebung nur 35 bis 40 Leute Polizisten anwesend waren. Allerdings, sagte der Leiter der Freisinger Polizeiinspektion, habe er nicht gewusst, dass der Veranstalter Liedgut spiele, das Konfliktpotenzial barg. Bei einem Koordinationsgespräch zwischen ihm und Balbin sei nur vom Abspielen von Hymnen der Bundesrepublik, der DDR und Bayerns sowie Balladen die Rede gewesen, nicht aber des gesamten Deutschlandlieds.

Vorsitzende Richterin Gertraud Beck wies Balbin an, künftig bei Koordinationsgesprächen genau zu definieren, was für Lieder und Reden geplant seien. Dann könne die Polizei mit dem nötigen Aufgebot anrücken. Im Zweifelsfall, um eine Handvoll NPD-Leute zu schützen. Neuner berichtete, dass die Freisinger Polizei bereits auf den Vorfall vom November des vergangenen Jahres reagiert hat. Während der jüngsten Kundgebung der NPD im Juli rückte eine Hundertschaft an und es wurden erstmals Absperrgitter aufgestellt.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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