Verhandlung am Landgericht Landshut:Zu dick aufgetragen

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Brutale Attacke entpuppt sich vor Gericht als Rangelei, der 23-jährige Haupttäter muss trotzdem ins Gefängnis

Von Alexander Kappen, Landshut/Moosburg

Das Opfer der Tat habe "im Ermittlungsverfahren wohl ein bisschen dick aufgetragen", stellte der Vorsitzende Richter Ralph Reiter am Freitag am Landshuter Landgericht in seiner Urteilsbegründung fest. Es sei wohl nicht so gewesen, dass die Angeklagten den 29-Jährigen brutal zusammengeschlagen und auf den am Boden liegenden Mann mit den Füßen eingetreten hätten, als sie ihm im März 2015 in der Nähe des Edeka-Marktes in Moosburg ein 99 Euro teures Handy sowie einen Geldbeutel mit 45 Euro abnahmen. Vielmehr habe der Hauptangeklagte - ein 23-jähriger gebürtiger Freisinger, der jetzt in Landshut lebt - dem Opfer das Handy aus der Hose gezogen, ehe es zu einer Rangelei kam und das Opfer beim Sturz auf den Boden Schürfwunden erlitt.

Statt des ursprünglich angeklagten schweren Raubs mit gefährlicher Körperverletzung blieb so ein schwerer räuberischer Diebstahl samt Körperverletzung übrig, wofür der elffach vorbestrafte und unter offener Bewährung stehende Angeklagte zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Für eine andere Tat, bei der er in Landshut sein Fahrrad in ein Auto gerammt und einem Zeugen mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte, bekam er wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung fünf weitere Monate aufgebrummt. Sein 24-jähriger Kumpel und eine 34-jährige Bekannte, die beim Handy-Diebstahl in Moosburg dabei waren und ebenfalls auf der Anklagebank saßen, wurden - den Anträgen ihrer Verteidiger folgend - vom Gericht freigesprochen.

Der 23-Jährige war offenbar mit dem Tatopfer befreundet. Gemäß seiner Version hatte der 29-Jährige ihm das strittige Handy zunächst verkauft und dann wieder gestohlen. Am Tattag habe er ihn deshalb vor einem Landshuter Hotel zur Rede stellen und sein Handy zurückfordern wollen. Als Verstärkung hatte er die beiden anderen Angeklagten dabei. Bei der 34-jährigen Frau hatte das Opfer noch 20 Euro Schulden. Als der 29-Jährige nicht auf die Forderungen des Trios einging und sich von seiner Freundin nach Moosburg fahren ließ, folgten ihm die drei anderen.

Die 34-Jährige war die Chauffeurin und bekam für ihre Fahrdienste vom Hauptangeklagten später die ausstehenden 20 Euro. Beim Edeka in Moosburg, so sah es das Gericht, zog der Hauptangeklagte dem 29-Jährigen das Handy aus der Hosentasche, wogegen der sich wehrte und rabiat wurde. Es kam zur Rangelei. Der 24-jährige Mitangeklagte ging dazwischen, um seinen Kumpel zu schützen, die 34-Jährige stand daneben, schaute zu und fuhr die anderen nach der Tat nach Landshut zurück.

Das Handy, das der Geschädigte von seiner Ex-Freundin geschenkt bekommen hatte, hat nach Überzeugung des Gerichts nie dem Hauptangeklagten gehört. Eine Auswertung habe ergeben, dass es nie den Benutzer gewechselt habe. "Vielleicht ist es ihm vom Geschädigten versprochen worden, aber das wissen wir nicht", sagte der Richter. Die beiden Mitangeklagten seien wohl überzeugt gewesen, dass das Handy dem 23-Jährigen gehörte. Sie hätten sich nicht strafbar gemacht, auch wenn es "moralisch fragwürdig" sei, mitzufahren, um das Handy zurückzuholen. Selbstjustiz sei schließlich auch verboten. Wer dem Opfer den Geldbeutel abgenommen hatte, war nicht ganz klar. Das Gericht rechnete die Tat jedoch dem 23-Jährigen zu, der die 45 Euro auch für sich behalten hatte.

Dieser leidet laut einem Gutachten von Landgerichtsarzt Hubert Näger an einer Persönlichkeitsstörung, weshalb er vermindert schuldfähig war und nur wegen eines minder schweren Falls verurteilt wurde. Die Staatsanwältin hatte für den Diebstahl drei Jahre gefordert. Für den 24-Jährigen beantragte sie wegen Beihilfe eineinhalb Jahre Gefängnis ohne Bewährung - er stand unter offener, einschlägiger Bewährung.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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