Urteil:Haft für "El Bandito"

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Ein 28-Jähriger hat mehrfach seine Freundin 2014 massiv getreten, gewürgt und ins Gesicht geschlagen

Von Christoph Dorner, Freising

Der Angeklagte hat vor Gericht das letzte Wort, so will es die Strafprozessordnung. Also wirbt Mathias H. ein letztes Mal mit grollender Verzweiflung bei Richterin Karin Mey um einen menschlichen Zug, den er an den zwei Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht völlig vermissen lässt: Empathie, die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen. Der 28-jährige Erdinger entschuldigt sich zwar verkniffen bei seiner Freundin Michaela R., die er zwischen Juli und Dezember 2014 mehrfach massiv getreten, gewürgt und ins Gesicht geschlagen hat. Nach einer Verfolgungsjagd durch Freising musste er einmal sogar von einer Gruppe junger türkischer Männer daran gehindert werden, auf seine Freundin einzuschlagen. Nun wurde er zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Mathias H. bagatellisiert fortwährend seine Taten, immerhin Körperverletzung in fünf Fällen, dazu Freiheitsberaubung, Nötigung und Beamtenbeleidigung. Schuld an seiner misslichen Lage, und damit im Grunde selbst Schuld, ist die Freundin mit ihren ständigen Sticheleien - das will Mathias H. eigentlich sagen. Dass er unmittelbar vor einem Faustschlag in den Bauch von Michaela R. von ihr an seinem frisch operierten Geschlechtsteil gepackt worden sei, fällt ihm erst am zweiten Verhandlungstag ein. Die Freundin, die wiederholt Strafanzeigen zurückgezogen hatte, ehe die Staatsanwaltschaft Anklage erhob, streitet dies ab.

An anderer Stelle besteht Mathias H. allen Ernstes darauf, dass Michaela R. gestanden und nicht am Boden gelegen habe, als er auf sie eintrat. Er zeigt die Bewegung, wie ein Volleyschuss beim Fußball: Vollspann mit Schuhgröße 46. Das macht selbst den so besonnenen Sachverständigen Randolph Penning fassungslos: "Wen interessiert die Technik dieser Tritte", fragt er. Michaela R. hatte danach am Oberschenkel ein Hämatom mit dem Durchmesser eines Fußballs.

In seinem Schlusswort hilft Mathias H. nur noch die Flucht nach vorne, um vielleicht doch mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Also stellt er sich selbst eine günstige Sozialprognose aus. Er verweist auf seine kleine Tochter, die bei seiner Ex-Frau lebt und die an Ostern geweint habe, weil der Papa im Gefängnis in Landshut einsitzt. Und auf das gute Verhältnis zu den Eltern, die ihn aber unlängst vor die Tür setzten. Der Vater, noch so ein Choleriker, habe Mathias H. als Kind wiederholt geschlagen. Einmal habe er ihm sogar die Nase gebrochen. Grundlos sei aber nie geschlagen worden, sagt der Angeklagte leichtherzig - eine Aussage, die tief blicken lässt.

Zuletzt argumentiert Mathias H. mit seiner abgeschlossenen Berufsausbildung zum Kfz-Meister und Betriebswirt, die der Staat bei einer Verurteilung unnützerweise Staat mitfinanziert habe. "Eine Haftstrafe wäre mein berufliches Aus", sagt er - es klingt nach all den Gewaltausbrüchen und Einschüchterungsversuchen seines Umfelds wie eine letzte kleine Drohung.

Doch diese Einlassungen entlasten Mathias H. nicht - im Gegenteil. Denn der Strafrahmen für die einzelnen Taten ist zu klar abgesteckt, zumal der Angeklagte wegen Körperverletzung in seinem familiären Umfeld einschlägig vorbestraft ist und mit den Taten gegen eine offene Bewährung verstoßen hat. Richterin Karin Mey verurteilt Mathias H. "Sie sind nicht bereit, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen", sagt Mey in ihrer Urteilsbegründung. Dass der Angeklagte die Schuld wiederholt bei seinem Umfeld sucht und keine wirkliche Reue zeigt, wertete das Gericht letztlich sogar als strafverschärfend. Nun muss Mathias H. ins Gefängnis. Im Chat nannte er sich ohnehin "El Bandito".

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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