Jugendkorbinian in Freising:Das Licht ist stärker als die Nacht

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Die Wallfahrt lockt wieder viele junge Menschen in aller Frühe zum Gottesdienst mit Kardinal Marx. In diesem Jahr gab es erstmals auch eine Online-Version.

Von Christian Gschwendtner, Freising

Es ist 6.52 Uhr, als das Licht in der Neulandstraße am Ortsrand von Freising angeht. Die ersten Jugendwallfahrer haben es vom S-Bahnhof Pulling mitgebracht. Mit Stirnlampen und ein paar Fackeln sind sie von dort losgezogen, da war es noch sechs Uhr in der früh und stockdunkel. Jetzt lichtet sich der Himmel. Die ersten Flugzeuge steigen auf, und der Domberg ist plötzlich zum Greifen nah herangerückt.

Waltraud Kustermann bildet mit ihrem Mann und drei Jugendlichen die Vorhut. Eigentlich wollte sie sich gar nicht auf den Weg nach Freising machen. Nachdem die Schreckensbilder von den Terroranschlägen in Paris aber auch über ihren Bildschirm flimmerten, stand es für Kustermann fest. Sie gehe da jetzt mit, hat sie zu ihrem Mann gesagt. Und so hat die kleine Gruppe die Wallfahrtschoreographie für den heutigen Tag abgeändert. In Fürbitten haben sie der Terroropfer in Paris gedacht.

Der Wind hat ihre Fackeln immer wieder ausgeblasen. "Wenn das Feuer aus war, haben wir es immer wieder von unserem Nebenmann angezündet", sagt Kustermann. Und so ist das Licht an diesem Morgen im Nirgendwo auf den Feldern zwischen Pulling und Freising nie ausgegangen.

Der Münchner Jugendpfarrer Tobias Hartmann muss seine Schützlinge zur Eile mahnen. "Freunde, wir müssen Gas geben, sonst gibt es kein Frühstück mehr", sagt er. Hartmann ist einer der Mitinitiatoren der diesjährigen Jugendkorbinianswallfahrt. 170 Jugendliche haben sich bei ihm für die frühmorgendliche Wanderung von Pulling zum Freisinger Dom angemeldet. Vierzig trotten jetzt hinter Hartmann her, die meisten sind Firmlinge. Die Truppe ist ein wenig in Verzug geraten. Je näher es dem Ziel entgegen geht, desto mehr hebt sich aber die Stimmung.

An der sechsten und vorletzten Station erzählt Hartmann ein Gleichnis von einem König und dessen zwei Söhnen, die beide Thronnachfolger werden wollen. Der Vater gibt ihnen eine Aufgabe. Sie sollen die Schlosshalle bis zum Abend füllen. Dem ältesten Sohn fällt nichts besseres ein, als sie mit ausgequetschtem Zuckerrohr vollzumüllen. Der jüngere ist der Schlauere von beiden. Er stellt eine Kerze in die Halle und erfüllt sie mit Licht. Er gewinnt das Duell und wird König.

Der eloquente Jungpfarrer Hartmann erzählt die Geschichte fast beiläufig, ohne nervtötende Zeigefinger. Die Jungwallfahrer lauschen angeregt. Hartmanns Stirnlampe ist inzwischen ausgeknipst. Das Motto der Jugendwallfahrt lautet weiterhin "Licht an". Ein prophetischer Zuspruch soll es sein, in Zeiten der Krise. Weil die Wallfahrer wie jedes Jahr vom Dunklen ins helle Tageslicht ziehen, passt das Motto besonders gut. Da sind sich alle einig.

Das Erzbischöfliche Jugendamt beschreitet in diesem Jahr aber auch neue Wege. Weil die Jugend heutzutage nicht früh genug ins smartphonefähige Alter kommen kann, wird zum ersten Mal eine Online-Wallfahrt angeboten. Ein Pilotprojekt. Die Whatsapp-Generation kann so entweder auf eigene Faust lospilgern oder sich zu Hause in spiritueller Andacht üben und die Texte der sieben Stationen am Computer abrufen.

Kontakt zur Außenwelt können die Heimwallfahrer dann über den Twitter-Hashtag #korbi2015 herstellen. Die drei Neuntklässlerinnen Alexandra, Yvonne und Lilly von der Theresia-Gerhardinger-Mädchenrealschule aus München wollen lieber eine Pilgererfahrung in der analogen Welt sammeln. Kurz vor dem Domberg ist bei den Mädchen von Müdigkeit nichts zu spüren. Ihr Fitmacher-Trick: "Ein Kaffee, das war alles."

Zu ihrer Gruppe haben sich ein paar ältere Herrschaften gesellt, denen das Aufstehen weniger leicht gefallen ist.Christiana Hägele läuft mit zehn osteuropäischen Studenten mit. Sie leitet das Stipendienprogramm für Ungarn und Slowenien von Renovabis in Freising. Anlässlich der Jugendkorbinianswallfahrt sind die Teilnehmer an diesem Wochenende zu Gast in Freising.

Leicht sei es nicht gewesen, sie alle davon zu überzeugen, in aller Früh vom Dom wegzugehen, um dann wieder zu ihm hinzulaufen, sagt eine lachende Hägele. Ihre Überzeugungsquote von 50-Prozent kann sich trotzdem sehen lassen.

Um 7.52 marschiert die Gruppe durch das Domtor. Der Tag ist nun endgültig angebrochen. Der Eingang ist verstopft. Die etwas fauleren, die sich für die "Wallfahrt light" vom Freisinger Bahnhof entschieden haben, sind nun auch mit von Partie. Alle Gesichter leuchten.

Kardinal Reinhold Marx sagt wenig später im Innenschiff des Mariendoms: "Wir glauben, dass das Licht stärker ist als die Nacht."

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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