Unter Beobachtung:Verwirrender Richtungswechsel

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An der Haltestelle "Am Söldnermoos" liegen mit Mövenpick und Ibis gleich zwei Hotels daneben, für die Gäste ist der Bus 692 ein ideales Verkehrsmittel zum S-Bahnhof - wenn sie die Richtung wüssten, in welche die Busse fahren. (Foto: Marco Einfeldt)

Eine erste Bilanz nach Einführung der neuen Buslinie 692 fällt in Neufahrn überwiegend positiv aus. Dass sich die Route in Hallbergmoos je nach Tageszeit allerdings ändert, irritiert viele Fahrgäste

Von Birgit Grundner und Alexandra Vettori, Neufahrn/Hallbergmoos

Die junge Mutter mit Baby und Kinderwagen steht in Neufahrn an der neuen Haltestelle "Friedhof" und schaut immer wieder in Richtung Alter Kirche. Von da wird er gleich kommen, der Bus der neuen Linie 692. Susanne Bartels benutzt sie an diesem Tag das erste Mal, sie möchte zum Bahnhof. Mit Bus und S-Bahn, das sei praktischer als mit dem Auto, "Kinderwagen auseinanderbauen, Kind ins Maxi Cosi, Kinderwagen wieder zusammenbauen, nein, da ist der Bus wirklich eine tolle Sache", sagt sie, "das wertet Neufahrn auf."

Seit gut sieben Wochen sind die Busse der Linie 692 jetzt unterwegs, und sie werden gerade in Neufahrn genau beobachtet. Schließlich war speziell die Streckenführung im Süden extrem umstritten, und, je nach vorherigem Standpunkt und aktueller Uhrzeit und Haltestelle, werden die Busse als "fast leer" oder "ziemlich voll" wahrgenommen. Verkehrsreferent Florian Pflügler (ÖDP), der das Ortsbus-Projekt federführend vorangetrieben hat, verfolgt es gelassen: Die Fahrgastzahlen der Linie 692 seien in den ersten Wochen schneller angestiegen als bei einem Probebetrieb üblich. Dieser dauere im Übrigen nicht umsonst vier Jahre, und über die langfristige Nutzung lasse sich derzeit noch nicht viel sagen. "Zu üblichen Berufsverkehrszeiten ist das Fahrgastaufkommen sehr schnell gestiegen und bewegt sich zurzeit, vor allem im Abschnitt zwischen den beiden S-Bahn-Haltestellen S 1 und S 8, bei zwischen zehn und 20 Fahrgästen", berichtet er. Abends und nachts seien die Zahlen nicht so hoch, "steigen aber auch kontinuierlich an".

"Das braucht Zeit - das wird schon", ist auch Christa Kürzinger überzeugt. Sie sitzt nicht nur für die CSU im Gemeinderat, sondern betreibt auch ein Schreibwarengeschäft am Marktplatz, direkt neben einer der Haltestellen. Das Interesse an der neuen Linie sei groß, sagt Kürzinger, ständig kämen Leute und fragten nach den Fahrplänen. "Bei uns sind die Busse voll", erzählt auch ein Bürger. Er wohnt in der Nähe des Gewerbeparks "Nova Neufahrn". Am Friedhof dagegen hat SPD-Gemeinderätin Beate Frommhold-Buhl, die direkt daneben wohnt, beobachtet, dass die Busse "sehr, sehr oft leer sind." Josef Eschlwech (Freie Wähler) hat schon "einige Male beobachtet", dass "maximal eine Person" im Bus ist, wenn dieser vom Friedhof zur Grünecker Straße fährt. Womöglich, so die Überlegung der Gemeinderäte, müsse man den Leuten das doch etwas ungewöhnliche System genauer erklären: Die Reihenfolge, in der die Haltestellen angefahren werden, variiert teils je nach Tageszeit, damit die Route den Bedürfnissen der Berufstätigen entspricht.

Genau das sorgt auch in Hallbergmoos, wohin die Linie 692 ebenfalls fährt, für Verwirrung. Dort wechselt mittags sogar die Richtung der Busse - wo es vorher noch zur S-Bahn ging, geht es dann erst ins Ortszentrum. Vor allem an der Ludwigstraße, wo einige Hotels sind, müssen Auswärtige so immer wieder Umwege in Kauf nehmen. "Eigentlich klappt das super, aber viele Fahrgäste wissen nicht, in welche Richtung der Bus jetzt fährt", erzählt eine Mitarbeiterin des Ibis-Hotels. Auch dass es mit Bus und Bahn zum Flughafen mehr Streifen kostet, als nur mit der Bahn, verstünden viele nicht so recht. Mit dem Bus allerdings sei es eben keine Kurzstrecke mehr. Immerhin befänden sich inzwischen aber Schilder in den Bussen, die Aufschluss darüber geben, zu welchem Endpunkt sie fahren.

Ansonsten überwiegt in Hallbergmoos das Lob, hat man nun doch nicht nur eine Anbindung zum Sport- und Gewerbepark, sondern auch zum Cineplex-Kino und eine zweite Buslinie zum Neufahrner Bahnhof. Hier sind die Abfahrtszeiten gut an die Fahrzeiten der S 1 angepasst. Nicht umsonst lässt sich Hallbergmoos die Buslinie mindestens 175 000 Euro im Jahr kosten, auf Neufahrn entfallen wegen der kürzeren Kilometerstrecke mindestens 130 000 Euro für das erste Jahr. Laut Referent des Hallbergmooser Bürgermeisters, Herbert Kestler, hat es nur wegen einiger Haltestellen Beschwerden gegeben, im Frühjahr werde man, so möglich, Abhilfe schaffen. Genaue Fahrgastzahlen liegen der Gemeinde noch nicht vor, "wir haben aber den Eindruck, dass die Buslinie vor allem zum Kino in Neufahrn genutzt wird." Glücklich über die Linie sind vor allem die Mitarbeiter im Neufahrner Gewerbegebiet "Am Römerweg". Ein Angestellter des dort ansässigen Logistikbetriebs Panalpina weiß von mindestens zehn bis 15 Kollegen, die sehr froh darüber sind. "Wir hatten früher einen hausinternen Shuttle, aber der ist nur morgens und abends gefahren. Jetzt ist das viel flexibler." Auch im Cineplex-Kino, das ebenfalls im Gewerbegebiet Römerweg liegt, ist Geschäftsführerin Veronika Fläxl hochzufrieden. "Wir fragen unsere Besucher nicht, wie sie hergekommen sind,deshalb kann ich keine Zahlen nennen. Aber es ist super, dass der letzte Bus so spät fährt, dass man nach dem Kino noch heim kommt", sagt sie.

Die befürchteten Verkehrsprobleme im Neufahrner Süden sind bisher ausgeblieben, Verkehrsreferent Pflügler sieht deshalb zurzeit keinen Anlass, die Linienführung zu ändern. Anpassungen seien in den vier Jahren des Probebetriebs jeweils zum Fahrplanwechsel aber leicht möglich.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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