Umstritten:Wider den Wildwuchs

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In Eching und Neufahrn haben Unbekannte naturnahe Grünflächen eigenmächtig gemäht, weil sie unordentlich aussahen. Im Hallbergmooser Gemeinderat wird man es gern hören, dort sieht man öffentliche Wiesen kritisch

Von Alexandra Vettori, Landkreis

Insekten und Vögel werden immer weniger, die Bienen sterben, sie alle brauchen mehr Lebensraum, so klingt es auf und ab. Die Hallbergmooser Grünen haben deshalb vor einiger Zeit im Gemeinderat beantragt, Grünflächen im Ort und auch den einen oder anderen Straßenkreisel naturnah mit Wiesen und Wildblumen zu bepflanzen und Bienenkästen aufzustellen. Bei ihren Kollegen im Gemeinderat aber sind Robert Wäger und Sabina Brosch damit gar nicht gut angekommen.

Solcherlei naturnahe Bepflanzung auf gemeindlichen Flächen nämlich sahen die meisten Gemeinderäte als unordentlichen "Wildwuchs" an, der schlimmstenfalls, etwa bei Bienenstichen, auch noch Haftungsfragen aufwerfe. Immerhin verständigte sich das Gremium mehrheitlich auf einen Kompromiss: Die Firma Grünplan wird jetzt mögliche Standorte für Grünstreifen und Bienenkästen ermitteln und berechnen, welche Kosten dadurch auf die Gemeinde zukämen. Mit Kosten freilich ist es nicht getan, wie der Blick auf die Nachbargemeinden Eching und Neufahrn zeigt.

Das Herz aus Begonien am Hallbergmooser Gewerbegebiet kam gut an. (Foto: Katharina Jaksch)

Dort nämlich ist man schon einen Schritt weiter, die beiden Kommunen probieren zaghaft naturnahe Flächen aus - und haben schon massiven Gegenwind aus der Bürgerschaft erfahren. Zwei Flächen, darunter der Straßenkreisel im Neufahrner Ortsteil Massenhausen, sind klammheimlich von Unbekannten sogar abgemäht worden. Der Grund: Es sah zu unordentlich aus. Was die geheime Mähbrigade in Massenhausen offenbar nicht wusste: Bei dem naturnah bepflanzten Kreisel handelte es sich sogar um eine Vorgabe des Freisinger Landratamtes. Denn beim Bau der Ortsumfahrung, die immerhin ein Stück weit ins Freisinger Moos ragt, hat die Untere Naturschutzbehörde darauf bestanden, dass der Kreisel naturnah bepflanzt wird. Das Neufahrner Rathaus hat daraufhin extra entsprechendes Saatgut gekauft. Allerdings hat man nicht bedacht, dass Wiesen auf dem nährstoffreichen Erdreich, das im Kreiselinneren aufgebracht wurde, zumindest im ersten Jahr nicht wirklich schön werden. Was gewachsen ist am Ortsteingang, waren dann in erster Linie Disteln, und das war für die Massenhauser offenbar zu viel Natur.

In Eching hat die Gemeinde eine Versuchsfläche in der Roßbergerstraße beim Friedhof mit Wiesensamen bepflanzt. Auch dort, berichtet Umweltamt-Leiterin Martina Britz auf Nachfrage der SZ, haben Unbekannte die Wiese kürzlich einfach abgemäht. "Jetzt", sagt Britz, "haben wir ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift 'Das soll eine Blumenwiese werden'." Auch Britz hat die Erfahrung gemacht, dass manche Bürger wenig Toleranz für naturnahe Grünflächengestaltung aufbringen. Dafür bekäme das Rathaus oft Lob für die Wechselbepflanzung, die man beispielsweise auf dem Kreisel am Ortseingang aufbringe. Damit sind die Stiefmütterchen und andere Blumen gemeint, die je nach Jahreszeit gekauft und gepflanzt werden. Sie bringen zwar Bienen und Co. wenig und kosten viel Geld, sehen dafür aber hübsch bunt und ordentlich aus.

Die Wiese auf dem Kreisel bei Massenhausen haben Unbekannte kürzlich abgemäht. (Foto: Katharina Jaksch)

Immerhin kommen laut der Neufahrner Rathaussprecherin Nicole Dobner die Wiesenstreifen recht gut an, welche die Gemeinde seit Jahren am Kurt-Kittel-Ring und nördlich des Friedhofes anlegt und pflegt. Auch an die Wiesenblumen in den leeren Bauminseln an der Bahnüberführung, welche die Agenda 21-Gruppe hegt, haben sich die Autofahrer inzwischen gewöhnt, jedenfalls gibt es keine Klagen.

Es sei wohl, so ist aus beiden Rathäusern zu vernehmen, noch etwas Überzeugungsarbeit nötig, um die Öffentlichkeit darauf einzustellen, dass Artenvielfalt auch ein bisschen Unordnung braucht. Solange bleiben nur die Ausgleichsflächen, auf denen ungestört Nist- und Futtermöglichkeiten für Vögel und Insekten geschaffen werden können.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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