Überwältigende Erinnerungen:Zeugin bricht im Gerichtssaal zusammen

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Prozess um brutalen Überfall auf ein Neufahrner Spielcasino: Opfer kann den Anblick der Täter nicht ertragen

Peter Becker

Die Erinnerungen an einen Überfall im Januar dieses Jahres sind zu überwältigend für die Beschäftigte eines Spielcasinos in Neufahrn. Sie saß gestern Morgen als Nebenklägerin in einem Saal des Landshuter Landgerichts. Die Verteidiger hatten gerade Einlassungen für ihre Mandanten verlesen, als die Frau aufstand und kurz darauf zu Boden sank. Sanitäter mussten die offenbar unter Schock stehende Zeugin auf einer Trage aus dem Gerichtssaal bringen. Mitangeklagt neben den Tätern, zwei jungen Männern aus Neufahrn und Schwaig, ist eine Jugendliche aus dem nördlichen Landkreis Freising. Sie hatte in einem Auto auf die Täter gewartet und war anschließend mit ihnen geflüchtet.

Die Jugendkammer wirft den Männern schweren Raub und gefährliche Körperverletzung vor. Sie sollen im Oktober des vergangenen Jahres ein Spielcasino in Eching bei Landshut überfallen haben. Zu diesem Vorwurf schweigen sich beide aus. Den Überfall auf die Neufahrner Spielothek gestehen sie über die Einlassungen ihrer Verteidiger. Darin geben sie an, "mehrere Linien Kokain konsumiert" und Alkohol getrunken zu haben. Mit dem Schlüssel ihrer Komplizin, die im Spielcasino beschäftigt war, verschafften sich die Beschuldigten Zutritt. Der ältere der beiden, ein 26-Jähriger aus Schwaig, ging sofort auf eine Angestellte los, die mit dem Rücken zur Tür stand. Er versetzte ihr mit einem Stuhlbein einen Hieb gegen den Kopf, worauf sie bewusstlos zusammenbrach. Anschließend hielt er seinen Begleiter davon ab, weiter auf sie einzuprügeln.

Ähnlich erging es einer Frau im Obergeschoss des Gebäudes. Obwohl sie ein gutes Dutzend Schläge gegen ihren Kopf erhielt, gelang es ihr aber, sich in den Bereich einer Überwachungskamera zu schleppen. Diesmal hatte der Jüngere, ein 23-jähriger Neufahrner, zugeschlagen. Sein Begleiter will ihn von weiteren Hieben abgehalten haben. Beide ließen über ihre Anwälte verkünden, die Schläge seien nicht beabsichtigt gewesen. Dies sei aus einer Stress-Situation heraus geschehen, in der sie die Kontrolle über die Ereignisse verloren hätten. Beide wollten sich bei ihren Opfern entschuldigen. Angesichts des Zusammenbruchs der Zeugin fand Vorsitzender Richter Christoph Ziegler, dass die Hauptverhandlung dafür ungeeignet sei. Das Motiv für den Überfall sind drückende Schulden, resultierend aus Drogen- und Spielsucht.

Die Mitangeklagte war zum Zeitpunkt der Tat Jugendliche. Sie war die Freundin des Neufahrners, von dessen Drogensucht sie erst später erfahren hatte. Sie kannte ihn zunächst nur als Stammgast des Spielcasinos. Die junge Frau sagte, sie sei gedrängt worden, mitzumachen. "Ich wusste, dass ich da nicht mehr rauskomme", erklärte sie. Die Beschuldigte sagte weiter, die Männer hätten ihr über die Geschehnisse in der Spielothek nichts erzählt. Erst am Morgen habe sie von einer Kollegin nähere Umstände zum Überfall erfahren. Die Beziehung zu ihrem Freund beschrieb die Frau mit den Worten: "Ich hatte Angst vor ihm, aber ich habe ihn geliebt." Deshalb sei sie auch nicht zur Polizei gegangen. Möglicherweise, ließ Richter Ziegler durchblicken, komme bei ihr eine Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Raub in Betracht. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 29.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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