Überschuldung:Schatten in der Boomregion

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Vielen Menschen droht die private Insolvenz

Von Gerhard Wilhelm

Laut einer Statistik des Wirtschaftsauskunftsunternehmens Creditreform sind in Freising 6,63 Prozent der über 18-Jährigen derart pleite, dass ihnen Pfändungen, Zwangsvollstreckungen oder sogar die Privatinsolvenz drohen - das heißt: etwa jeder 15. erwachsene Freisinger. Lange Zeit waren die Ursachen dafür in den allermeisten Fällen bei der Person selbst zu suchen. Es wurde einfach über die eigene finanzielle Leistungsgrenze gelebt. Auch heute noch ist dies oft der Fall.

Unsere Konsumgesellschaft handelt schon fast im olympischen Gedanken, der 1924 formuliert wurde: "Citius, altius, fortius", zu deutsch: schneller, höher, stärker. Wenn heute vom olympischen Motto die Rede ist, ist oft "dabei sein ist alles" gemeint. Passt auch wunderbar. Denn, wer will schon in der wunderbaren Konsumwelt außen vor sein? Wer will ein kleineres Auto als der Nachbar haben oder noch einen alten Röhrenfernseher, wenn in der Werbung die neuen flachen Fernseher mit "Bildern, so echt wie das Leben" locken?

Und Media Markt, Saturn und Co. machen den Kauf so einfach: "Mit der flexiblen Null-Prozent-Finanzierung können die heißesten Produkte jetzt genutzt und gemütlich in bis zu 33 Monatsraten abbezahlt werden". Bezahlen muss man dennoch. Aber gerade am boomenden Wirtschaftsstandort München sollte das Geld nicht zu locker sitzen. Eine aktuelle Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungen zeigt: Nirgendwo sonst ist das Leben teurer als im Münchner Raum. 1000 Euro haben in Freising nur die Kaufkraft von 901 Euro, in München sogar von nur rund 767 Euro wegen der hohen Lebenshaltungskosten.

Doch selbst, wenn man mit seinem hart erarbeiteten Geld - oder später der Rente - verantwortungsvoll umgeht, kann es passieren, dass man schnell überschuldet ist. Dazu muss man gar nicht seinen Arbeitsplatz verlieren, es reicht schon, nur Mindestlohn zu bekommen. Und davon müssen im Großraum München viele "leben". Die Sache mit der Vollbeschäftigung, die bei "nur" zwei Prozent an Arbeitslosen gilt, wie derzeit in Freising, ist reine Augenwischerei. Eigentlich sollte es so sein, dass man mit seinem Gehalt auch problemlos über die Runden kommen kann und nicht jeden Monat wegen der hohen Fixkosten weiter ins Minus rutscht. Die Region München wird gerne als leuchtendes Beispiel hingestellt. Aber wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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