Überschaubare Schar:Wo Männer Exoten sind

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Warum denn eigentlich nicht? Männer als Erzieher im Kindergarten sind leider noch die große Ausnahme. (Foto: Martin Schutt)

Erzieher sind in den Kindertagesstätten der Kommunen im Landkreis Freising klar in der Minderheit. Dies liegt zum einen an der schlechten Bezahlung, zum anderen am herrschenden Rollenbild in diesem Beruf.

Von Dennis Wenzl, Freising

Das neue kanadische Kabinett hat einen beeindruckenden Frauenanteil. Er liegt bei 50 Prozent und hat Vorbildcharakter für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf der ganzen Welt. Vor allem in Berufen, die seit jeher als Männerdomäne gelten, sei es Konzernmanager oder KFZ-Mechaniker, haben es Frauen immer noch schwer. Das ist nichts Neues. Dass es aber auch umgekehrt Schwierigkeiten gibt, wird oft vernachlässigt. Männer, die in Berufen arbeiten, die eher dem weiblichen Rollenbild entsprechen, sind immer noch eine Seltenheit. So auch bei Berufen in Kindertagesstätten. Dabei stellt Freising keine Ausnahme dar. Laut dem für Kindertagesstätten zuständigen Amt der Stadt Freising verfügen die 15 Kindertageseinrichtungen unter städtischer Trägerschaft bei etwa 140 pädagogischen Kräften gerade einmal drei männliche Erzieher oder Kinderpfleger.

Für den Landkreis fällt die Bilanz nicht besser aus. Bei der Fachberatung für Kindertagesstätten des Landratsamts schätzt man die Zahl der Männer in den 123 Kitas im Landkreis Freising auf 15. Davon sind zwei in leitenden Positionen tätig. Die Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamtes, Petra Lichtenfeld, bringt das Problem auf den Punkt. Die "vorherrschende Rollenverteilung" sehe Männer in solchen Berufen nicht vor. Diejenigen, die sich trotzdem dafür entschieden, würden als "Exoten" wahrgenommen. Dabei würden Männer eine wichtige Vorbildfunktion für Buben in Kitas erfüllen, erklärt man bei der Fachberatung für Kindertagesstätten. Immer wieder würden Eltern nach Erziehern fragen, da sie sich eine männliche Bezugsperson und somit eine gezielte Förderung ihrer Söhne wünschten, lautet die Auskunft der Fachberatung.

Mario Geißler ist Kinderpfleger im städtischen Kindergarten Neustift eins. Er glaubt, dass vor allem "für die Jungs und die Kinder, bei denen die Eltern getrennt leben und bei der Mutter wohnen" ein männlicher Betreuer wichtig sei. Wenn Praktikanten in der Kita arbeiteten, seien die Kinder immer ganz "hin und weg" und hingen förmlich an ihnen, beschreibt Geißler. Auch er sei schon manchmal von Kindern mit "Papa" angesprochen worden.

Interessanterweise scheinen Männer in sozialen Berufen, sollten sie einen ergreifen, bessere Aufstiegschancen zu haben als Frauen. Betrachte man die Zahl der Männer in Führungspositionen, so sei dieser im Vergleich zu ihrer Gesamtzahl in diesem Sektor "überproportional" hoch, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Lichtenfeld. Doch bleibe die Zahl der Männer, aufgrund der relativ geringen Verdienstmöglichkeiten, überschaubar.

Das spiegelt sich in den Ausbildungszahlen wieder. Simon Hell ist Fachbetreuer für Pädagogik und Psychologie an der staatliche Berufsfachschule für Kinderpflege und der Fachakademie für Sozialpädagogik in Freising. Dort lassen sich derzeit zehn Männer zu Kinderpflegern und elf zu Erziehern ausbilden. Bei einer Gesamtzahl von 110 beziehungsweise 101 Auszubildenden. Hell sieht das Problem darin, dass sich viele interessierte Männer anhören müssten, wie sie denn später einmal ihre Familien ernähren wollen.

Das geringe Einkommen ist nicht das einzige Hindernis für Männer, einen Kita-Job zu übernehmen. Über der ganzen Thematik schwebt, geradezu bedrohlich, ein Begriff: Generalverdacht. Der Fachdienst im Landratsamt bestätigt Vorbehalte besorgter Eltern gegenüber männlichen Betreuungspersonen. Diese bezögen sich hauptsächlich auf "diffuse Ängste über möglichen sexuellen Missbrauch", heißt es in der Erläuterung der Fachberatung. Sei dies hauptsächlich auf die Berichterstattung zurückzuführen, die in den vergangenen Jahren über Missbrauchsfälle gemacht wurde, gebe es in im Landkreis Freising keine konkreten Probleme.

Kinderpfleger Mario Geißler kennt die Vorurteile. Gehe es um sexuellen Missbrauch, erwische es zum größten Teil immer die Männer mit Anschuldigungen. Auch die Gleichstellungsbeauftragte sieht den Generalverdacht als großes Problem. Männer in Kita-Berufen müssten "besonders sensibel und vorsichtig agieren, um sich hier nicht falschen Verdächtigungen ausgesetzt zu sehen". Es sei "traurige Realität", dass pädophile Männer gerade soziale Berufe suchten, um in der Nähe von Kindern zu sein, doch bedeute dies nicht, dass es nicht auch zu Übergriffen durch Erzieherinnen kommen könne.

Um mehr Männer für Kita-Jobs zu begeistern, müsse man die Ausbildung reformieren, findet Petra Lichtenfeld. Durch höhere Zugangsvoraussetzungen in der Ausbildung, beispielsweise durch den Abschluss eines Studiums, könne man das Ansehen und die Einkommensmöglichkeiten des Berufes deutlich steigern. Man könnte beispielsweise den Beruf des Erziehers mehr an das Grundschullehramt angleichen, wie es in Österreich gemacht werde. Sobald das Renommee des Berufes steige, würden mehr Männer in Kitas arbeiten wollen. Somit würde sich auch bald die Bezahlung der Erzieher verbessern, da man festgestellt habe, dass Berufe in denen viele Männer arbeiten, generell besser bezahlt würden.

Simon Hell findet diesen Zusammenhang nicht unbedingt. Er zweifle daran, dass sich genug Abiturienten beiderlei Geschlechts finden lassen würden, um diese Studiengänge zu füllen. Auch böten Einrichtungen wie die Fachakademie in Freising im Gegensatz zur Universität den nötigen "Praxisbezug".

Die Gleichstellungsbeauftragte Lichtenfeld sieht noch einen weiten Weg bis zum Abbau der ungleichen Geschlechterverteilung beim Kita-Personal. Die Rollenverteilungen seien "doch noch sehr manifest" und es erfordere sowohl von Männern als auch von Frauen viel Selbstbewusstsein, um diese zu durchbrechen und "anders" zu sein. Vorurteile könnten erst dann endgültig abgebaut werden, "wenn persönliche Erfahrungen an ihre Stelle treten".

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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