Übermäßige Bürokratie:Protest gegen "Doku-Wahn"

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Hoteliers und Gastwirte sehen sich durch das neue Gesetz zum Mindestlohn besonderen Belastungen ausgesetzt. Das Notieren der Arbeitszeiten und die Pflicht, allergene Stoffe der Lebensmittel zu erfassen, koste übermäßig Zeit

Von Birgit GoormanN-Prugger, Freising

5000 Hoteliers und Gastwirte haben am vergangenen Montag bei einer Demonstration in München auf die Missstände in ihrer Branche aufmerksam gemacht. "Gastfreundschaft statt Doku-Wahn" stand auf den Plakaten der Demonstrierenden oder auch "Ich will kochen statt dokumentieren". Konkret ging es den Wirten um Arbeitszeiten und das neue Gesetz zum Mindestlohn, durch das sich die Gastronomiebranche besonderen Belastungen ausgesetzt sieht. Freisings Wirtesprecher Günther Wittmann hat laut eigenen Aussagen aus Zeitgründen zwar nicht an dieser Demonstration teilgenommen.

Die Forderung unterstützt er jedoch sehr wohl. "Der Behördenwust wird für uns Wirte einfach immer mehr", begründete er das. Vor allem seit das Gesetz für den Mindestlohn von 8,50 Euro in Kraft sei. Dabei stört die Wirte nicht so sehr die Höhe des Lohnes, sondern die strenge Dokumentationspflicht. Die tägliche Arbeitszeit von Mitarbeitern nach dem Mindestlohngesetz muss nachprüfbar sein, Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Dauer aller Pausen müssen notiert werden. In einem Gastronomiebetrieb ist das nicht immer so einfach. "Ich als Kleinbetrieb muss jetzt für meine Angestellte, in diesem Fall meine Ehefrau, und noch eine Aushilfskraft penibel die Arbeitszeiten nachweisen". Die Angestellte müsse das zum einen aufschreiben und von ihm als Wirt einmal die Woche abzeichnen lassen. Die Dokumente müssten auch aufgehoben werden, um sie für den Fall einer Kontrolle sofort vorzeigen zu können. "Bei mir geht das ja noch, aber bei einem Betrieb mit zehn bis 20 Leuten ist man nur noch am dokumentieren und abzeichnen."

Freising Wirtesprecher Günther Wittmann muss die Arbeitszeiten seiner Mitarbeiter genau dokumentieren. (Foto: Marco Einfeldt)

Auch Pausen müssten genauestens eingehalten werden. Eine Fünf-Stundenkraft müsse beispielsweise laut Gesetz nach zwei Stunden eine halbe Stunde Pause machen und das auch so aufschreiben und sich von ihm als Wirt abzeichnen lassen. "Jetzt habe ich aber gerade den Laden voll, wenn Pause gemacht werden soll. Und was soll ich dann machen? Das erklärt einem keiner so richtig", erklärte Günter Wittmann weiter . Steffen Irion vom Freisinger Parkcafé kann bestätigen, dass man als Wirt für die Dokumentation der Arbeitszeit gut beschäftigt sei. "Vor allem, wenn man wie wir so viele Aushilfskräfte hat, da geht schon mal eine Stunde pro Tag drauf". Das Gesetz gelte seit Januar und seine Einhaltung werde auch kontrolliert. "Bei uns war gleich im Januar jemand vom Zoll und hat unsere Aufzeichnungen kontrolliert. Es war aber alles in Ordnung", versicherte Irion.

"Unser Bürotag hat sich deutlich verlängert", sagte zu dem Thema Martina Killermann, vom Gasthof Lerner, stellvertretende Wirtesprecherin in Freising. Auch sie war nicht bei der Demo in München - wie Wittmann aus Zeitgründen. "Wir haben da gerade neues Personal bekommen". Das muss dann eingearbeitet werden. Und nicht nur wegen der Kontrolle der Arbeitszeiten. Denn was die Wirte neuerdings auch streng dokumentieren müssen, sind die allergenen Stoffe in Nahrungsmitteln. 26 davon müssen laut Eilverordnung aufgeführt werden - für jedes Gericht, jedes Häppchen und alle Variationen. "Und wir haben im Gasthof Lerner jeden Tag eine wechselnde Tageskarte. Da muss sich jeden Tag einer drum kümmern. Wenn ein Gast das nämlich nicht sieht und bei mir umfällt, bin ich als Wirtin dran", berichtete Martina Killermann. Dabei müsste man als Allergiker doch eigentlich wissen, was man nicht vertrage. "Der Gast kann dann doch auch bei der Bestellung sagen, bitte keine Zwiebeln, oder so".

Dennoch: Die Einhaltung dieser Bestimmungen wird kontrolliert. "Ich habe gehört, dass der Zoll wegen der Arbeitszeitdokumentation schon in Freising unterwegs war. Auch wir rechnen mit Kontrollen", erklärte die Lerner-Wirtin.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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