SZ-Serie: Braukultur in Freising:Die Kneipe als kulturelles Zentrum

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Robert Forster ist Experte, was die Geschichte der Freisinger Brauereien betrifft. Der SZ erzählt er, welche Bedeutung sie im Lauf der Jahrhunderte für die Stadt hatten - und warum die Bierkeller erhalten werden müssen

Interview von Regina Bluhme, Freising

Robert Forster ist geprüfter Stadtführer in Freising. Regelmäßig begibt er sich in der Altstadt mit Besuchern und mit Einheimischen auf eine besondere Zeitreise: "Auf den Spuren alter Freisinger Brauereien" heißt die Führung, die er mit großem Erfolg anbietet. Forster weiß vieles über die ehemaligen Brauereien im Zentrum zu berichten, zum Bespiel, in welchem Wirtshaussaal ein Passionsspiel aufgeführt worden ist, wie die großen Brauer ihren Besitz durch vorteilhafte Heiraten sicherten und wie es heute in den alten Bierkellern aussieht. Dass diese Keller einmal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, ist Forsters großer Wunsch.

SZ: Herr Forster, als Stadtführer zeigen Sie Besuchern die Sehenswürdigkeiten einer Stadt. Wie sind Sie denn auf die ehemaligen Brauereien gekommen? 18 gab es einmal in der Altstadt, heute ist aber doch kaum mehr was zu sehen.

Robert Forster: Diese Führung hat sich mehr oder weniger durch Zufall entwickelt. Bei einer meiner Stadtführungen sind wir am Lindenkeller vorbeigekommen. Früher konnte man auch kurz in das Gewölbe schauen, heute geht das nicht mehr. Aber da habe ich gemerkt, wie begeistert die Leute von den Kellern waren. Und sie wollten mehr über die Brauerei erfahren. Das war so ein Aha-Effekt. Im Übrigen gibt es sehr wohl noch etwas von den alten Brauereien zu sehen.

Was denn zum Beispiel?

Die Infrastruktur ist zum Teil erhalten geblieben. An der heutigen Stieglbräugasse stand der Stieglbräu, die Sporergasse erinnert an den Sporerbräu und die Hummelgasse an den Hummelbräu. Alte Kathasterpläne zeigen auch, welchen Raumbedarf die Braustätten früher hatten. Das hat das Stadtbild natürlich mit geprägt.

Warum brauchten die Brauer so viel Platz?

Zu einer Brauerei gehörte immer eine Gaststätte mit einen großen Saal und Küche, natürlich das Brauhaus, die Mälzerei und Lagerböden. Dazu kam Landwirtschaft mit Kühen und Schweinen und Stallungen, die die Gäste zum Unterstellen ihrer Pferde benutzten. Die Pferde wurden dann vom "Hausl" versorgt und dafür gab es ein schönes Trinkgeld. Es heißt, dass der "Hausl" vom Furtnerbräu so viel verdient hat, dass er selber eine Wirtschaft eröffnen konnte.

Hat es so etwas wie Freisinger Brauerei-Dynastien gegeben?

Das kann man wohl sagen. Es gab zum Beispiel die Familien Huber oder Sporer. Die meisten Brauereien waren über viele Generationen in einer Hand. Auffallend ist, dass bei Hochzeiten schon geschaut wurde, dass eine Brauereitochter oder ein Sohn wieder in einer Brauerei eingeheiratet hat. Ein typisches Beispiel ist der Furtnerbräu, wo die Tochter vom Hackl-Bräu den Sohn vom Furtner geheiratet hat.

So kam Geld zu Geld.

Genau. Man kann sagen, dass die Brauereibesitzer seit jeher die reichsten Leute der Stadt waren. Das bezeugen zum Beispiel Unterlagen aus dem 30-jährigen Krieg. Die höchsten Zahlungen für die Kriegssteuer mussten die Brauer tätigen. Ein Zeichen, dass sie sehr gut verdient haben. Außerdem waren viele Brauereibesitzer als Ratsherren im Freisinger Magistrat und haben so die Stadtgeschichte mitbestimmt. Sie genossen ein hohes Ansehen. Der Taufpate von Josef Hummel, dem Erben vom Hummelbräu, war zum Beispiel Fürstbischof Albrecht Sigismund.

Seit wann wird in Freising überhaupt Bier gebraut?

Zunächst muss man sagen, dass Bayern seit den Römern ein Weinland war. Auch am Domberg wurde ja früher Wein angebaut. Dann gab es bei uns im 16. Jahrhundert eine "kleine Eiszeit" und der Wein wurde ungenießbar. So hat man sich aufs Bier verlagert. In Weihenstephan wird ja seit 1040 Bier gebraut, seit dem 12. Jahrhundert auch auf dem Domberg. Es hat halt ein bisschen gedauert, bis es sich durchgesetzt hat. Aber dann ging es steil bergauf mit dem Ausschank.

Robert Forster ist geprüfter Stadtführer in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Was waren die Gründe?

Freising lag günstig zwischen den Herzogstädten Landshut und München, da wurde gerne Station gemacht und natürlich was getrunken. Da war auch Handel, der Besucher in die Stadt brachte. Zu der Zeit, als in Freising die Fürstbischöfe regierten, gab es auch jede Menge Kirchenfeste oder Priesterweihen zu feiern. Und es wurde ständig am Domberg gebaut, das zog viele Handwerker nach Freising. Und die hatten Durst. Das Bier wurde offen im Maßkrug verkauft. Fünf bis sechs Maß am Tag konnte damals ein schwer arbeitender Schmied oder Maurer schon vertragen. Dabei waren die Gasthäuser schon immer viel mehr als ein reiner Bierausschank.

Was waren sie außerdem?

Hier fand das kulturelle Leben der Stadt statt. Es gab kein Fernsehen, keine Zeitungen - wenn man etwas erfahren wollte, dann fragte man den Wirt. Die Brauereien hatten auch große Säle. Dort wurden Hochzeiten, Taufen, Primizen gefeiert. Im Stieglbräu ist 1893 sogar ein Passionsspiel aufgeführt worden. Wie die Quellen verraten, wurde an dem Abend aus Pietätsgründen kein Alkohol ausgeschenkt.

Heute gibt es nur noch zwei Brauereien in Freising, die Staatsbrauerei Weihenstephan und das Hofbrauhaus. Warum sind die vielen kleinen verschwunden?

Das begann schon mit der Säkularisation 1803. Der fürstbischöfliche Hof am Domberg existierte plötzlich nicht mehr, die Bevölkerung ging von 6000 auf 3500 zurück, die Kundschaft blieb aus. Da mussten schon bald viele kleine und schwache Brauer dicht machen. Ein weiterer großer Einschnitt war um 1950 die Modernisierung der Brautechnik. Die Umstellung auf die neuen Abfüllanlagen schafften viele kleine Betriebe finanziell nicht und sie mussten sich der Konkurrenz geschlagen geben.

Geblieben sind die Bierkeller.

Die Bierkeller sind wirklich imposant. Bis auf den Lindenkeller befinden sich alle in Privatbesitz und sie sind zum Teil noch recht gut erhalten. Es wäre mein größter Wunsch, wenn zumindest einer wieder zugänglich gemacht werden könnte - für Touristen, aber auch für die Freisinger. Denn vor allem die alteingesessenen Freisinger führen sich mit ihnen verbunden, schließlich haben sie in den Gewölben im Krieg Schutz gegen die Luftangriffe gesucht. Aber ich weiß, dass auch junge Leute sich dafür interessieren. Jetzt stehen die Keller leer oder werden als Lagerraum genutzt. Man müsste zwar einiges investieren, aber es wäre doch toll, wenn ein Gewölbe als Wirtschaft oder als Museum genutzt würde. Das wäre wirklich etwas für eine Bierstadt wie Freising.

Die SZ-Serie "Braukunst im Landkreis Freising" wird im kommenden Jahr im Rahmen des 500-jährigen Jubiläums des Reinheitsgebots auch in einem Buch veröffentlicht.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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