Überraschende Entscheidung:Mann kommt trotz Bombendrohung im Flugzeug frei

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Die Maschine musste in München notlanden. Der Täter leidet an Schizophrenie, ihm sollen Medikamente helfen. Das Gericht verließ er als freier Mann.

Von Alexander Kappen, Landshut/Flughafen

Das Szenario war bedrohlich: Am 25. Mai 2014, nur einen Tag, nachdem ein Unbekannter im jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen erschossen hatte, versuchte ein 51-jähriger Belgier mit türkischen Wurzeln auf einem Flug von Brüssel nach Antalya im deutschen Luftraum ins Cockpit der Maschine zu gelangen. Als ihm der Zutritt verwehrt wurde, rief er, dass er eine Bombe an Bord habe. Er drohte, alle zu töten, ehe er von Passagieren überwältigt, gefesselt und bei einer außerplanmäßigen Zwischenlandung in München der Polizei übergeben wurde. Dabei verletzte der 51-Jährige zwei Männer leicht, beleidigte und bedrohte sie.

Die Erste Strafkammer des Landshuter Landgerichts, vor der sich der Mann seit dieser Woche verantworten musste, sah den Tatvorwurf als erwiesen an. Mit einem islamistischen Terroranschlag, wie unmittelbar nach der Tat vermutet, hatte das Ganze nach Ansicht des Gerichts jedoch nichts zu tun.

Eine Entschädigung für die Zeit der Untersuchungshaft

Der Täter sei krank und leide an paranoider Schizophrenie, sagte der Vorsitzende Richter Konrad Lackner bei der Urteilsverkündung am Donnerstag mit Verweis auf das psychiatrische Gutachten: "Er ist schuldunfähig und kann nicht bestraft werden." Die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung, die von der Staatsanwältin beantragt worden war, lehnte das Gericht ab.

Es folgte damit dem Antrag des Verteidigers. Situationen wie die Bombendrohung im Flugzeug seien in Zukunft nahezu ausgeschlossen, wenn der Angeklagte seine Medikamente weiter nehme, so das Gericht. Dem 51-Jährigen, der zuletzt im Bezirkskrankenhaus in Regensburg untergebracht war, wurden nach der Urteilsverkündung die Fußfesseln abgenommen. Er verließ das Gericht als freier Mann und bekommt für die Zeit der Untersuchungshaft und der Unterbringung seit dem 25. Mai 2014 eine Entschädigung.

Nicht der Typ von Schizophrenen, die meinen einen Auftrag erfüllen zu müssen

Der Angeklagte sei seit 2006 arbeitslos und seit vier Jahren in Belgien in psychiatrischer Behandlung gewesen, sagte die Sachverständige. Er habe unter Angstzuständen gelitten und sich verfolgt gefühlt. Das hänge auch damit zusammen, dass mehrere Familienangehörige an Krebs gestorben seien. Zur Tatzeit habe er im Flugzeug unter "akuter paranoider Schizophrenie" gelitten: "Hoher Angstpegel, Bedrohungserleben - das steigert sich zu einer Art Panik. Für den Betroffenen scheint es unausweichlich, sich dem Kampf zu stellen, um Gefahr abzuwenden."

Der Angeklagte habe nach seinen Angaben eine Frau zur Toilette gehen sehen und sie für eine Terroristen gehalten. Er habe gerufen, dass die Frau eine Bombe habe, nicht er selbst. Er sei nicht der Typ von Schizophrenen, "die meinen, einen Auftrag erfüllen zu müssen, etwa einen Politiker zu töten", so die Gutachterin. Er habe nur so reagiert, "weil er sich selbst bedroht fühlte". Das Gericht war aufgrund der Aussage einer Stewardess überzeugt, dass der Angeklagte "selber mit der Bombe gedroht und nicht nur davor gewarnt hat". Es gebe aber keine Anzeichen für künftige "gravierende Straftaten, das reicht für eine Unterbringung nicht aus".

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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