Steuernd eingreifen:Bauen für den Menschen

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"Jedes Gebäude hat eine öffentliche Wirkung", sagt Kreisbaumeisterin Antonia Seubert. Gelungene Beispiele zeigt eine Ausstellung in Freising, die zugleich Rückschau auf 20 Jahre "Architektouren" ist

Von Peter Becker, Freising

Wie es um die Baukultur im Landkreis Freising bestellt ist, darüber können sich bis zum 29. Juni Besucher einer Ausstellung im Verwaltungsgebäude der Stadt an der Amtsgerichtsgasse 6 informieren. Sie zeigt eine Rückschau auf die mittlerweile 20-jährige Geschichte der "Architektouren" der bayerischen Architektenkammer. Zu sehen sind Gebäude aus dem Landkreis Freising, die in der Vergangenheit zu besichtigen waren, wie etwa ein Haus in Au, in dem sich vor einigen Jahren noch ein Betrieb mit Erlebnisgastronomie befand.

Es gebe durchaus gelungene Architektur in den Städten und Gemeinden, resümierte Kreisbaumeisterin Antonia Seubert in ihrem Vortrag anlässlich der Vernissage der Ausstellung über Baukultur. Diese gehe über einzelne Gebäude hinaus und beziehe sich auf den Begriff Heimat. Dabei gewinnt Seubert dem Konfliktpotenzial, begründet in den Interessen des Bauherren, der Nachbarn und der Genehmigungsbehörden, durchaus etwas Positives ab. Darin liegt ihrer Ansicht nach auch eine Chance. Das Nicht-Festhalten am Althergebrachten bedeute Veränderung, die nicht immer negativ behaftet sein müsse.

Eine Ausstellung in Freising zeigt Beispeile für gelungene Architketur. (Foto: Marco Einfeldt)

Architekt und Stadtplaner Johann Spengler ist Mitglied des Freisinger Gestaltungsbeirats. Auch der zweite Gastredner der Vernissage kennt das Konfliktpotenzial, das in manchem Projekt schlummert. "Es geht nicht um eine Wahrheit", beschreibt er die Arbeit des Gremiums. "Wir produzieren uns nicht", betonte er, "sondern der Diskurs verbessert das Projekt." Der Gestaltungsbeirat gebe oft wertvolle Hinweise und löse Konflikte, etwa wenn sich Bauherr und Architekt in ihren Zielen nicht einig seien. Spengler nannte als Beispiel die Diskussion um die Gestaltung des Schlüter-Areals. "Dieses funktioniert halbwegs", stellte er fest, obwohl er den Komplex als "Einkaufswüste" bezeichnete. Immerhin bewirkte der Gestaltungsbeirat, dass nach einem Investor gesucht wurde, der die alten Werkshallen nicht wegreißen wollte.

Die Architekten beeinflussen mit ihrer Arbeit die Lebensqualität der Menschen. "Jedes Gebäude hat eine öffentliche Wirkung", findet Antonia Seubert. Es wecke Reaktionen und Emotionen. Deshalb empfindet sie die "Architektouren" als Einrichtung, in der es oft interessante Privatprojekte zu besichtigen gibt. "Es ist ein wunderbares Forum", lobte sie bei der Vernissage.

Gerade in einer Wachstumsregion wie es der Landkreis Freising ist, sei Qualität das höchste Ziel, sagte die Kreisbaumeisterin. Die Prognose, dass dieser bis zum Jahr 2030 von derzeit 169 000 auf 185 000 Einwohner wachsen soll, bedingt eine hohe Nachfrage nach Neubauten. "Die Frage ist: Wie geht man damit um?",

Das Haus von Peter Latz in Ampertshausen war Gegenstand einer der "Architektouren". (Foto: Marco Einfeldt)

formulierte die Kreisbaumeisterin die Sorge vor einer weiteren Zersiedelung der Landschaft. "Das Gesicht der Kulturlandschaft muss erhalten bleiben." Sie verwies auf die unterschiedliche Prägung des Landkreises: den verstädterten Süden und die ländliche Umgebung Moosburgs und der Hallertau. Antonia Seubert hat festgestellt: "Die Strukturen verwischen sich und lösen sich auf." Weil im südlichen Landkreis die Bodenpreise steigen, nehmen immer mehr Familien für den Traum vom Eigenheim das Pendeln zu ihrer Arbeitsstelle in Kauf. Negative Konsequenzen sind der steigende Flächenbedarf, das Bedürfnis nach zusätzlicher Infrastruktur und eine starke Zunahme des Straßenverkehrs. Zusätzlich steigen die Baukosten. Deshalb werde oft an der Qualität der Gebäude gespart. "Es gibt viele Anträge auf Fertighäuser", stellte Antonia Seubert fest. Wobei sie grundsätzlich nichts gegen solche Bauwerke habe. Deren Baustil habe aber oft nichts mit der Umgebung zu tun, in der sie entstehen.

Die Kreisbaumeisterin registriert eine schwindende Zahl von Bauernhöfen in der Region. Die Konsequenz ist Leerstand. Oder die Besitzer versuchen, ihre Höfe in Unterkünfte oder Boardinghäuser umzuwandeln. Dabei verändere eine Zahl von 20 bis 30 Arbeitern das soziale Gefüge in einem kleinen Dorf. Die nächsten "Architektouren" finden am 28. Juni statt.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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