Stadtarchiv in Freising:Private Schätze

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Zur Dokumentation der Lebenswirklichkeit ist die Stadt auf Nachlässe angewiesen

Von Peter Becker, Freising

Stadtarchiv, das Wort löst Vorstellungen aus. Im Kopf entstehen Bilder von endlos langen Reihen staubiger Aktenordner mit vergilbtem Papier. Das Archiv ist aber auch eine Art Gedächtnis der Stadt. Verwaltungsakte, Stadtratsentscheidungen, Vereinsdokumente und persönliche Nachlässe sind dort verwahrt und werden zu Nachforschungszwecken freigegeben. Die Freisinger SZ wirft in einer Serie einen Blick hinter die Kulissen des Stadtarchivs.

Klar, dass im Stadtarchiv jede Menge Dokumente von Verwaltungsakten aufbewahrt sind. Ein kleinerer Teil des Inventars besteht jedoch aus Papieren aus privaten Nachlässen. Jemand hat sie dem Stadtarchiv überlassen, weil er überzeugt ist, dass sie von historischem Interesse sind. Es gelte eben auch, nicht nur die Verwaltungsakte zu dokumentieren, sondern auch die Lebenswirklichkeit in einer Stadt, erläutert Stadtarchivar Florian Notter. Private Nachlässe von Personen, Firmen oder Vereinen aufzuarbeiten, um näher an das Leben der Bürger zu rücken, diese Idee stammt aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. "Politik und Verwaltung haben einen wesentlichen Anteil am Leben einer Stadt, aber es passiert viel mehr", erklärt Notter. Gesellschaft, Kirche, Kultur und Sport tragen zur Vielfältigkeit einer Gemeinschaft bei.

In Freising ist die Umsetzung dieses Gedankens relativ jung. "Mein Vorgänger Wolfgang Grammel hat in den Neunzigerjahren damit angefangen", sagt Notter. 2015/2016 sei das nicht-städtische Archiv neu gegliedert worden. Die Gesamtschau beinhaltet Personal- und Familiennachlässe, Vereins- und Firmenarchive. So kann durch die Dokumentation von Firmen die Wirtschaftsgeschichte einer Stadt erforscht werden - in Freising beispielsweise anhand des Firmenarchivs des Brautechnologieunternehmens Nerb. GmbH. Das Gesellschaftsleben einer Stadt wird insbesondere durch die Nachlässe von Privatpersonen abgebildet. Das Stadtarchiv beherbergt hier etwa das Familienarchiv des Industriellen Anton Schlüter oder persönliche Unterlagen der ehemaligen SPD-Stadträte Irene Gallisch und Peter Westermeier.

Überlassungen einzelner Personen aus dem Stadtleben runden das Gesellschaftsbild ab. Matthias Lebegern, Mitarbeiter des Stadtarchivs, verweist auf "Splitternachlässe", Teilbestände mit Aussagekraft über das Wirken einer Person. Als Beispiel nennt er den Splitternachlass des ehemaligen Oberbürgermeisters Max Lehner oder den von Rudolf Ismayr, Olympiasieger von Los Angeles 1932 im Gewichtheben.

Wichtige Quelle für das Stadtarchiv sind die Nachlässe von Heimatforschern. Ein Beispiel für einen besonders wertvollen Nachlass eines Heimatforschers ist der von Franz Bichler. "Der hat an Freisinger Häusern geforscht", erzählt Lebegern. "Zu jedem Haus hat er eine Kartei erstellt." Davon profitiert das Stadtarchiv stark. "Wir können Hausbesitzern Auskunft darüber geben, wie lang ihr Haus schon dokumentiert ist." Die Interessengemeinschaft Bürgerturm Freising hat bei ihren Ausstellungen über Handwerksbetriebe und Bauernhöfe ebenfalls wertvolle Informationen aus dem Bichler-Nachlass gezogen.

Bei dem Versuch, das Alltägliche der normalen Freisinger Familien abzubilden, sei viel dem Zufall überlassen, sagt Notter. Was das Leben von Freisinger Bürgern im 19. Jahrhundert anbelangt, sind Nachlässe eher die Ausnahme. Etwa alle zehn Jahre, schätzt Notter, habe das Stadtarchiv das seltene Glück, sogar in den Besitz eines Großnachlasses zu kommen. Mehr Informationen würde sich der Stadtarchivar aus den Landgemeinden wünschen, die erst später zur Stadt Freising hinzukamen.

Beim Empfang eines Nachlasses werden Verträge abgeschlossen. Bei einem Depositalvertrag bleiben die Dokumente im Eigentum des Gebers. Die Stadt lagert diese dann ein. "Das muss was aussagekräftiges sein", betont Notter. Denn die Speicherkapazitäten des Stadtarchivs sind sehr begrenzt. Sehr selten sind Kaufverträge. "Das muss was ganz Besonderes sein, weil der Kauf ja aus Steuern bezahlt wird", erläutert Notter.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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