Flüchtlingskinder im Landkreis Freising:Deutsch lernen geht vor

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"Statt Flötenunterricht gibt es dann eben Deutsch", sagt die Rektorin Gisela Boppert. Lehrer und Schulamt wollen den Flüchtlingskindern möglichst umfassende Sprachkenntnisse vermitteln - und mit ein paar Tricks lernen die Kinder schnell.

Von Birgit Goormann-Prugger, Freising

Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab, 48 Asylbewerber pro Woche werden dem Landkreis Freising mittlerweile zugewiesen. Ob das Männer sind oder Frauen, Schwangere oder Jugendliche ohne Eltern wissen die Verantwortlichen erst, wenn die Menschen da sind. Und erst dann ist klar, wie viele Kinder dabei sind. Denn auch für diese gilt die Grundschulpflicht, selbst wenn sie kein Wort Deutsch sprechen. "Die Sache ist natürlich dringlich", sagt dazu Bernard Kindler vom Freisinger Schulamt. Derzeit leben im Landkreis Freising nach Aussagen von Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin im Freisinger Landratsamt, 37 schulpflichtige Flüchtlingskinder im Alter von sechs bis zehn Jahren, zehn davon im Freisinger Stadtgebiet. Prognosen zur weiteren Entwicklung seien hier überhaupt nicht möglich, sagt Eva Dörpinghaus weiter.

Das Prozedere bei der Betreuung von grundschulpflichtigen Flüchtlingskindern ist eigentlich klar. "Wir haben natürlich eine Lösung für das Problem", sagt Schulrat Bernhard Kindler. Nur die Umsetzung laufe noch nicht ganz so reibungslos. Nötig seien dafür zusätzliche Personalzuweisungen und laufende Fortbildungen für die Lehrkräfte. "Im Moment ist alles im Fluss und wir lernen täglich dazu." Vom Grundsatz her funktioniere das System folgendermaßen. Bei den Flüchtlingskindern gebe es zunächst die Gruppe der "potenziellen Erstklässler": Kinder, die vom Alter her eigentlich in die erste Klasse gehörten. "Hier muss man aber schauen, ob sie Deutsch können oder überhaupt alphabetisiert sind", erklärte Kindler. Sei das nicht der Fall, komme das Kind erst ein Jahr später in die erste Klasse und werde in der Zwischenzeit in einem Kindergarten entsprechen gefördert. Ältere junge Flüchtlinge ab der zweiten Klasse müssten aber aufgenommen werden und würden dann durch Förderpersonal entsprechend intensiv betreut.

Ein Wörterbuch in Farsi hat geholfen

"Wir helfen uns da im Moment ein bisschen selbst. Jeder tut was er kann, damit die Integration funktioniert", sagt dazu Kerstin Rehm, Rektorin der Grundschule in Haag und Vorsitzende des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes im Landkreis Freising. "Das ist ja ein Exodus, das kann der Staat ja gar nicht so schnell im Griff haben." Betreut werden müssten Kinder, die kaum ein Wort Deutsch sprechen könnten. Wenn man Glück habe, sprächen sie ein paar Brocken Englisch.

Am Anfang müsse man sich mit Händen und Füßen verständigen. In Haag leiste diese Arbeit derzeit eine ehemalige pensionierte Kollegin auf ehrenamtlicher Basis. Zusammen mit der Klassenlehrerin werde das Kind gefördert, damit es notwendige Dinge ansatzweise verstehe. "Und wir haben uns jetzt auch ein Wörterbuch in Farsi angeschafft, um uns verständlich zu machen." Farsi ist zum Beispiel die Amtssprache in Iran und Afghanistan. "Aber es läuft sehr gut", berichtet Kerstin Rehm weiter. "Die Kinder lernen sehr schnell und man merkt, sie wollen das auch. Sie sind mit ihren Eltern ja hierher gekommen, weil sie vor Krieg und Bedrohung geflüchtet sind und hier eine neue Existenz suchen."

"Wir packen sie hin, wo es geht"

Bestätigen kann das auch Gisela Boppert, Rektorin der Anton-Vitzthum-Grundschule in Moosburg. "Zu uns kommen schon länger Kinder, die erst kein Wort Deutsch können, aus Polen oder Ungarn, also nicht aus Flüchtlingsfamilien." Den Deutschunterricht erledige man dann "so nebenbei". "Wir packen sie hin, wo es geht und statt Flötenunterricht gibt es dann eben Deutsch", berichtet Gisela Boppert. Und in der Tat, die Kinder seien schnell drin in der Sprache. Täglich wartet die Rektorin derzeit darauf, dass Kinder aus Flüchtlingsfamilien in der Schule auftauchen. Schließlich sollen allein im ehemaligen Normstahlgebäude bei Moosburg 50 Asylbewerber untergebracht werden. "Aber es sind noch keine da", berichtet Gisela Boppert.

Für ältere Schüler von elf bis 15 Jahren aus Flüchtlingsfamilien gibt es seit 2013 an der Paul-Gerhardt-Schule in Freising eine Übergangsklasse, in der sie auf den Regelunterricht vorbereitet werden, damals gegründet als Pilotprojekt. Der Bedarf sei groß und im kommenden Schuljahr würden darum zwei Klassen gebildet, sagt Schulrat Bernhard Kindler. "Da hat man dann als Lehrer acht bis zehn verschiedene Nationen in einer Klasse und es stehen erst mal zehn Stunden Deutsch auf dem Stundenplan." Selbst der Mathematikunterricht werde zum Sprachkurs, um erst einmal die Begrifflichkeiten zu vermitteln.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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