Skepsis beim Nachbarn:Unterschleißheimer Expansionspläne

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Die Stadt würde die Siedlung am Geflügelhof gerne eingemeinden. Echings Bürgermeister Thaler warnt

Von Klaus Bachhuber, Eching/Unterschleißheim

Knapp 30 Jahre nach der Umgemeindung der Siedlung Hollern von Eching nach Unterschleißheim möchte die größte Stadt im Landkreis München nun auch die Siedlung am Geflügelhof aufnehmen. Die Siedlung mit ihren rund 160 Einwohnern ist nur durch die Bundesstraße 13 von der Stadt getrennt und in ihrer kompletten Infrastruktur nach Unterschleißheim ausgerichtet. Auch eine Unterschriftenaktion vor Jahren hatte in der Siedlung den Wunsch nach einer Umgemeindung artikuliert.

Bereits 2013 hatte die Freie Bürgerschaft im Unterschleißheimer Stadtrat den Antrag eingebracht, die Umgemeindung zu betreiben. Vor einer formalen Beschlussfassung wollte die Stadtverwaltung die Bereitschaft in Eching ausloten - doch dort stand die Anfrage in mehr als fünf Jahren noch nicht mal auf der Tagesordnung. Er habe seinen Echinger Kollegen Sebastian Thaler (parteilos) in einem Erinnerungsschreiben nun noch einmal "eindringlich um eine Aussage gebeten", sagte Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) kürzlich im Stadtrat zum Verfahrensstand.

Der SZ sagte Thaler auf Anfrage, angesichts der realen Lebenswelt am Geflügelhof sei der Ansatz "nicht ganz aus der Luft gegriffen". Die Kinder der Siedlung besuchen die Kindertagesstätten in Unterschleißheim, der Winterdienst auf den Straßen wird von den Unterschleißheimer Stadtwerken erledigt, der S-Bahnhof Lohhof ist nahe und angesichts der fußläufigen Nähe wird wohl jede Besorgung in Unterschleißheim getätigt.

Im nichtöffentlichen Umgemeindungsvertrag für Hollern hatte sich Unterschleißheim 1989 wohl verpflichtet, auch die Bürger am Geflügelhof "wie Unterschleißheimer Bürger zu behandeln". Der Antrag von 2013 knüpfte daran an und nannte die Umgemeindung "nur folgerichtig". Allerdings würde diese Umgemeindung eine völlig neue Dimension in der Nachbarschaft einläuten. Denn historisch war stets die B 13 die Grenze zwischen den Kommunen und an der Stelle auch zwischen den Landkreisen München und Freising. So kam es überhaupt auch erst zur Umgemeindung von Hollern, für die sich seinerzeit in einer Abstimmung 60 Prozent der Bewohner der Siedlung ausgesprochen hatten. Die Bundesstraße, die zuvor westlich an Hollern und am Geflügelhof vorbei geführt hatte, war in den Achtzigerjahren auf die östliche Seite von Hollern verlegt worden. Die B 13 als Grenze zu belassen, hieß damals, Hollern an Unterschleißheim zu übergeben, was nach einem Gemeinderatsbeschluss in Eching vom Oktober 1989 im Jahr 1990 vollzogen wurde. Der Geflügelhof blieb aber auch nach der Verlegung östlich der Straße, sodass eine Eingemeindung nun ein Ausgreifen Unterschleißheims über diese historische Grenze bedeuten würde.

Offen wäre auch der Umgriff einer möglichen Umgemeindung. Soll nur die Siedlung zu Unterschleißheim geschlagen werden? Oder weitere Entwicklungsmöglichkeiten? Unterschleißheim ist mit knapp 15 Quadratkilometern nicht einmal halb so groß wie Eching mit 37 Quadratkilometern, hat aber mit 30 000 Einwohnern mehr als doppelt so viel Bürger wie Eching mit 14 000 Einwohnern. Auch die paar Hollerner Häuschen, die 1990 eingemeindet wurden, sind längst mit dem vormaligen Nachbarort Lohhof verschmolzen, jeder verfügbare Quadratmeter bis zur B 13 ist zugebaut. Der Echinger Bürgermeister warnt deshalb vor einem möglichen Hunger des Nachbarn nach Land. Wenn man nicht aufpasse, "dann wachsen wir irgendwann zusammen." Mit Hollern, wo sich zwischenzeitlich Microsoft angesiedelt hatte, sei Eching auch "ein Stück Wirtschaftskraft verloren gegangen", sagt Thaler. "Eine Kompensation dafür gab es nicht wirklich."

Das historische Hollern sind zwei Bauernhöfe auf halbem Weg zwischen Eching und Lohhof, die als Güter Hollern immer noch zu Eching gehören. Umgemeindet wurde 1990 nur die Siedlung, die seit den Zwanzigerjahren entstanden war. Die 1936 errichtete Geflügelzuchtanstalt südlich dieser Wohnsiedlung hieß ebenfalls nach Hollern, obwohl sie von den Gütern mehr als zwei Kilometer Luftlinie entfernt liegt. In Unterscheidung zu den Gütern Hollern und dem Unterschleißheimer Hollern verwendet das Echinger Rathaus seit neuestem Geflügelhof als Benennung für den Ortsteil, in dem auch rege gebaut wird. Auf dem Areal der einstigen Geflügelzucht arbeitet heute die Gärtnerei Hollern des Heilpädagogischen Zentrums Augustinum mit behinderten Menschen.

Zwischen dem heutigen Unterschleißheimer Stadtteil Hollern und dem Geflügelhof liegt leicht versetzt der Hollerner See. Das Erholungsgebiet unmittelbar vor der Unterschleißheimer Stadtgrenze wird von den beiden Nachbarorten verwaltet, teilweise besitzen sie Grundstücke im Erholungsbereich gemeinsam. Mit einer Umgemeindung des Geflügelhofs würde Unterschleißheim näher an den See rücken oder je nach Umgriff der Umgemeindung sogar Anlieger.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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