Schwieriger Ensembleschutz:Lizenz zum Abriss

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Der Bauausschuss des Freisinger Stadtrats genehmigt einen Antrag, nach dem ein Haus am Unteren Graben entfernt und in gleicher Form wieder aufgebaut werden soll. Denkmalschützer hatten diese Variante abgelehnt.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Freisinger Innenstadt steht kurz vor dem großen Umbau in eine zeitgemäße, attraktive City. Gleichzeitig - oder gerade deshalb - soll der Charakter der Altstadt weitgehend erhalten bleiben. Ensembleschutz heißt das Zauberwort, das wertvolle alte Gebäude vor dem Abriss bewahren soll, das die Entscheider im Stadtrat aber immer wieder vor große Schwierigkeiten stellt. Denn sehr oft passen die Anforderungen und Einschränkungen des Denkmalschutzes nicht zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Hauseigentümer.

Jüngstes Beispiel: Der geplante Abriss und Neubau eines Reihenhauses am Unteren Graben 29. Die Verwaltung hatte empfohlen, das Projekt abzulehnen, doch der Bauausschuss entschied am Mittwoch gegen die Stimme von Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, den Abriss zu genehmigen.

Die Bauherren hatten beantragt, das aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Gebäude abreißen und quasi in gleicher Form wieder aufbauen zu dürfen. Zuvor hatten sie das Haus, das zum Altstadtensemble gehört, analysieren und die Bausubstanz bewerten lassen. Diese ist demnach stark sanierungsbedürftig, entspricht nicht den energetischen oder brandschutztechnischen Anforderungen und nicht "den erforderlichen Standards zeitgemäßen Wohnens". Ein Erhalt, so das Ergebnis der Analyse, sei nur mit sehr hohem Sanierungsaufwand zu erreichen.

Abgerissen werden soll das Haus am Unteren Graben 29. Die Denkmalschützer sind jedoch dagegen. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Neubau käme aus wirtschaftlicherer Sicht deutlich günstiger, doch das Landesamt für Denkmalpflege lehnte den Abriss ab. Das Anwesen sei Teil des denkmalgeschützten Ensembles Domberg und Altstadt, heißt es in der Begründung, das Gebäude präge in besonderem Maße die Struktur des Grabens und zeige die historische Entwicklung der Bebauung.

Weil es sich jedoch nicht um ein Einzeldenkmal handelt, müssten "nur die das Ensemble prägenden Bestandteile" erhalten werden, so die Denkmalschützer - also die Außenmauern mit Dach. Baulich sei das Gebäude in sanierungsfähigem Zustand, so die Behörde, ein unverhältnismäßig hoher Aufwand dafür sei nicht erkennbar.

Auch der Freisinger Stadtheimatpfleger Norbert Zanker sprach sich gegen den Abriss aus - und weil der Stadtrat in solchen Fällen den Denkmalschutz im Interesse der Allgemeinheit gegen private Interessen abzuwägen hat, empfahl die Verwaltung, das Projekt abzulehnen. Da aber mochten die Stadträte nicht mitspielen.

Er habe sich das angeschaut, sagte FW-Stadtrat Karl-Heinz Freitag, und für ihn passe der geplante Neubau fast besser in den Bestand als das derzeitige Haus. Man müsse den Neubau eben so gestalten, "dass er rein passt", sagte auch Anton Frankl (FSM), während Rudi Schwaiger (CSU) kritisierte, dass das Landesamt für Denkmalpflege die Antwort auf die Frage, warum der Neubau nicht in das Ensemble passen sollte, schuldig geblieben sei. Gefordert werde ja ohnehin nur der Erhalt von zwei Außenwänden, wunderte sich Sebastian Habermeyer: "Wenn es jetzt im Ensemble auch schon auf den Erhalt von Steinen ankommt, frage ich mich, wo noch der Unterschied zum Einzeldenkmal ist."

Saniert wird das Mehrfamilienhaus an der Oberen Hauptstraße 37. (Foto: Marco Einfeldt)

Eschenbacher warnte, dass die Stadt gerade Richtlinien für den Erhalt des Altstadtensembles erarbeite, "da passt das jetzt nicht, wenn wir sagen: Das Ensemble ist uns egal". Beschlossen wurde dennoch, den Abriss zu genehmigen. Die Fassade für den geplanten Neubau soll jedoch noch einmal überarbeitet werden. Eschenbacher, der diesen Beschluss zwar formuliert, ausdrücklich aber nicht empfohlen hatte, kündigte an, dass er die Entscheidung möglicherweise wird beanstanden müssen.

Einfacher taten sich die Stadträte bei zwei anderen Bauanträgen, die ebenfalls Projekte in der Innenstadt betrafen. So wurde die geplante Renovierung des Mehrfamilienhauses mit Laden an der Oberen Hauptstraße 37 einstimmig genehmigt. Hier soll der rückwärtige Anbau abgerissen und neu errichtet werden.

Bedingung ist, dass die Sanierungsarbeiten mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden. Auch an der Unteren Hauptstraße 26 und 28 dürfen drei Rückgebäude im Innenhofbereich abgerissen werden. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte dem zugestimmt. Gefordert werden allerdings auch hier "ensemblegerechte Ersatzbauten".

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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