Schwerstarbeit im Gerichtssaal:Anwälte stellen Befangenheitsantrag

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Prozess gegen einen möglichen Dieseldieb wird nach dreistündiger Verhandlung vertagt. Verteidiger des Angeklagten monieren, dass sich die Richterin offenbar vor der Verhandlung bei einem Kollegen über sie erkundigt habe

Von Alexander Kappen, Freising

Der Staatsanwalt hatte Schwerstarbeit zu verrichten. 120 Punkte umfasste die Anklage, die er Fall für Fall vortrug. Darin wurde einem 40-jährigen Kraftfahrer, der in Schweitenkirchen lebt, zur Last gelegt, zwischen Juni 2012 und Dezember 2013 25 000 Liter Diesel aus seinem Firmen-Lastwagen abgezapft und damit seinen Arbeitgeber um gut 30 000 Euro geschädigt zu haben.

Der Vorwurf, der bei der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht im Raum stand, war also nicht ohne - geriet aber zunehmend in den Hintergrund, weil die beiden Verteidiger sich von Beginn an mit dem Staatsanwalt und Richterin Karin Mey anlegten und diese mit Anträgen überzogen. Das Ganze gipfelte in einem Befangenheitsantrag gegen die Richterin, die den Prozess nach dreistündiger Verhandlung unterbrach und vertagte.

Die Polizei war dem Angeklagten auf die Schliche gekommen, "weil damals in unserem Dienstbereich öfter Diesel aus Fahrzeugen abgezapft worden ist", berichtete ein Beamter der Inspektion Neufahrn als Zeuge. Man sei gezielt Streife gefahren und habe den Angeklagten an einem Parkplatz am Echinger See angetroffen. Dort stand das private Fahrzeug des 40-Jährigen samt Anhänger neben seinem Dienst-Lastwagen. Die Polizisten fanden mehrere geöffnete, teils gefüllte Plastikkanister vor und entdeckten in einem Ablagefach eine elektrische Dieselpumpe sowie zwei Schläuche. Letztere hätten "noch nach frischem Diesel gerochen", erzählte der Polizist. Der Angeklagte stand laut des Zeugen beim Lastwagen. Am Tank seien keine Aufbruchspuren zu sehen gewesen. Bei der Überprüfung der Daten stellte die Polizei fest, dass der Angeklagte der Fahrer des Lastwagens war und den Schlüssel für den Tank hatte. Der Angeklagte, so der Zeuge, habe gesagt, dass er nicht Diesel aus dem Tank abgezapft, sondern eingefüllt habe.

In dieselbe Richtung zielten die Verteidiger. Wie die Disponentin des Unternehmens, bei dem der Angeklagte arbeitete, angab, war der 40-Jährige einer der Fahrer mit dem höchsten Spritverbrauch. "Ist es möglich, dass er privat gekauften Sprit in den LKW gefüllt hat, weil er mit den höchsten Verbrauch hatte und Angst um seinen Job hatte?", fragte ein Verteidiger. Theoretisch sei das möglich, so der Polizist.

Wäre es nach den Verteidigen gegangen, wäre die Verhandlung unmittelbar nach Verlesung der Anklage beendet gewesen. Die Anklage sei unschlüssig und unzulässig, so die Verteidiger. Es sei nicht dargelegt, dass der Spritverlust durch eine Entnahme verursacht worden sei. Es sei nicht realistisch, dass laut Anklage bis zu 420 Liter in einer Minute abgezapft worden seien. Und den Schaden habe man willkürlich mit einem Durchschnittsdieselpreis statt mit den tatsächlichen Tagespreisen berechnet. Die Verteidigung beantragte die Einstellung des Verfahrens. Die Richterin lehnte das ab. Später legten die Anwälte Einspruch gegen die Verwendung von Beweisakten ein, weil diese auf einem Fuhrparkmanagementsystem beruhten, das die Fahrer per GPS-Signal lokalisiert. "Die Überwachung von Arbeitnehmern mit GPS ist unrechtmäßig und verletzt unseren Mandanten in seiner Menschenwürde", so die Verteidiger. Schließlich entdeckten die beiden am Richterpult noch eine ausgedruckte E-Mail, in der sich die Richterin offenbar bei einem Kollegen über sie erkundigt habe, wie sie monierten. Daraufhin stellten sie den Befangenheitsantrag.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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