Schwalben im Landkreis:Gefährdete Wetterboten

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Schwalben sind ausgesprochene Zugvögel, die ihre Brutzeit während der warmen Monate in Mitteleuropa verbringen und im südlichen Afrika überwintern. Schwalben sind Insektenjäger. Mit etwa 80 Prozent bilden Fliegen, Mücken und Blattläuse den Hauptanteil der Nahrung. Foto: Rainer Jensen dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: dpa)

Der Mangel an geeigneten Brutplätzen und der Einsatz von Insektiziden sorgen für einen Rückgang beim Schwalbenbestand. Dabei sind die Vögel überaus nützlich und können im Tiefflug auch Regen ankündigen

Von Verena Bracher, Freising

"Im ersten Jahr wollte ich sie unbedingt weghaben", erzählt Verena Mayer. An jedem Balken unter dem Dach des zum Getränkemarkt und Wohnhaus umgebauten Stalles in Unterhaindlfing habe ein Schwalbennest gehangen. Die Jungvögel hätten ziemlich viel Dreck gemacht. Doch dann entschied sie sich anders: Die Schwalben durften bleiben, Ehemann Thomas bastelte sogar Vorrichtungen, damit der Kot nicht immer in Verenas Kräuterbeeten landet. Dafür brachte er abnehmbare Bretter unter den Nestern an. Seitdem verläuft das Zusammenleben der Mayers und der acht Schwalbenpärchen, die jährlich an ihrer Hauswand brüten, harmonisch.

Anderswo sorgen die Schwalben dagegen für so manchen Ärger. Die Pressestelle des LBV machte vor kurzem darauf aufmerksam, dass es Fälle gegeben habe, in denen Ämter Bauern mit Verweis auf die Futtermittelhygieneverordnung der Europäischen Union angewiesen hätten, Schwalbennester aus Ställen zu entfernen. Eine solche Auslegung des Gesetzes sei aber schlichtweg "ein Märchen, das sich hartnäckig hält", erklärte Markus Erlwein, Pressesprecher des LBV. Man könne leicht die Futtermittel anders vor Verunreinigungen schützen, zum Beispiel mit Kotbrettern wie es die Mayers getan haben.

Im Landkreis Freising kam es noch zu keinem solchen Vorfall, weder dem Veterinäramt noch dem Gewerbeamt ist etwas derartiges bekannt. Der Verbraucherschutz werde natürlich hochgehalten, erklärt man auf Anfrage im Gewerbeamt. Schwierigkeiten gebe es aber eher mit der Taubenpopulation. Und wie sehen die Bauern die Untermieter in ihren Ställen? "Grundsätzlich sind Schwalben bei den Bauern schon gerne gesehen", sagt Stefan Hörmann, Fachberater des Bayerischen Bauernverbands für die Landkreise Freising und Erding. Insbesondere, weil sie viele Fliegen wegfischen würden. Schwalben als Teil des Bauernhoflebens hat Hans-Jürgen Unger, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) Freising, in seiner Kindheit selbst erlebt: "Ich kann mich noch erinnern, meine Eltern hatten einen Hof und wir hatten jedes Jahr Rauch-und Mehlschwalbenpärchen."

Im Landkreis Freising sind drei Arten von Schwalben verbreitet: die Rauchschwalben, die Mehlschwalben und die Uferschwalben. Während die Rauchschwalbe gerne in Gebäuden brütet und sich zum Beispiel in Kuhställen niederlässt, sucht die Mehlschwalbe ihre Brutplätze an Außenfassaden und nistet am liebsten in Kolonien. Die Tiere sind sehr ortstreu und nutzen ihre stabilen, aus Lehmklumpen gebauten Nester über Jahre. Rauch- und Mehlschwalbe werden beide auf der Roten Liste der Brutvögel als gefährdet eingestuft. Deshalb verbietet es das Tierschutzgesetz, Schwalbennester zu entfernen oder die Vögel aus Gebäuden, in denen sie nisten, auszusperren. Dieses Verbot gilt ganzjährig, man darf also auch nicht die Reste der Nester im Winter beseitigen, wenn die Schwalben gen Süden aufgebrochen sind - sonst droht ein hohes Bußgeld.

Eine Lösung fand man vor einigen Jahren für ein Rauchschwalbenpaar, das über dem Eingang der Hofpfisterei an der Unteren Hauptstraße in Freising genistet hatte. Kunden und Ämter forderten eine Entfernung des Nests. Mit Nisthilfen gelang es stattdessen, dem Schwalbenpärchen im Innenhof ein neues Zuhause zu geben. "Künstliche Nester werden im Allgemeinen gut angenommen", erklärt LBV-Vorsitzender Unger. Nicht nur ein Mangel an geeigneten Brutplätzen, sondern auch Regen und Kälte in der Aufzuchtzeit sorgen für einen Rückgang des Schwalbenbestands. Flächenversiegelungen und der übermäßige Einsatz von Insektengift macht den Vögeln zusätzlich zu schaffen.

Die Uferschwalbe hat ihre ganz eigenen Probleme - am liebsten baue sie kleine Höhlen in Uferabbrüchen, erklärt Unger. Die Flussufer in Deutschland würden aber zunehmend ausgebaut werden, sodass die Vögel keine geeignete Stellen zur Aufzucht ihrer Jungen finden. Als Bruthilfe ließ der LBV Freising 2003 eine gemauerte Brutwand am Westweiher der Kiesgrube Hallbergmoos errichten. Mit einem beeindruckenden Ergebnis: innerhalb eines Jahres waren alle 150 Brutröhren belegt und mussten auf 300 Nistplätze erweitert werden.

Für Verena Mayer stellten sich die geflügelten Untermieter als Glück heraus. "Wir haben fast keine Mücken", berichtet sie. Die Schwalben würden alle Insekten als Futter für ihre Jungen wegfangen. Und noch einen weiteren Vorteil hätten die Tiere: Verena braucht keinen Wetterbericht mehr, die Schwalben sind hervorragende Wetterboten. "Wenn sie tief fliegen, gibt es schlechtes Wetter." Bald werden die Vögel für den Winter nach Süden fliegen. "Zu Maria Geburt fliegen die Schwalben furt", zitiert Unger eine alte Bauernweisheit. Maria Geburt wird in der katholischen Kirche am 8. September gefeiert. Im neuen Jahr kehren sie dann zu ihren Nestern zurück.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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