Schulweg-Taxi:Freiheit geht verloren

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Warum es für Kinder eigentlich doch schöner ist, zu Fuß und mit Freunden zur Schule zu gehen

Von Marina Wudy

In den Vereinigten Staaten ist es längst Standard, dass Eltern ihre Kinder tagtäglich mit dem Auto in die Schule fahren - und sollte doch einmal der Bus genommen werden müssen, dann wird der Nachwuchs selbstverständlich auch die 100 Meter zur Bushaltestelle gefahren. Ganz so schlimm ist es in Freising zwar noch nicht. Aber die Zahl der Eltern, die auch hier ihren Kindern anscheinend nicht zutrauen, selbst den Bus zu nehmen oder gar zu Fuß in die Schule zu gehen, scheint kontinuierlich zu wachsen. Die Frage ist nur - warum eigentlich?

Früher ging es doch auch. Da war es normal, sich aus der Nachbarschaft geeignete Weggefährten für die allmorgendliche Route zu suchen und diese dann täglich am selben Treffpunkt mit unerschütterlicher Gewissheit warten zu sehen. Es sei denn, der Begleiter litt bereits in jungen Jahren an notorischer Unpünktlichkeit. Auf dem gemeinsamen Weg wurden im Frühjahr Blumen gepflückt, im Herbst Kastanien gesammelt und im Winter Schneebälle geworfen. Auf dem Heimweg später konnte man gemeinsam über die Quantität und Qualität der anstehenden Hausaufgaben stöhnen und sich schon auf das wartende Mittagessen freuen. Zeit spielte bei all dem eine eher untergeordnete Rolle. Und trotzdem kam man meist pünktlich daheim oder in der Schule an.

Natürlich hat das Schulweg-Taxi der Eltern seine Reize, doch scheinen diese eher gering zu sein im Vergleich mit der abenteuerlichen Freiheit des eigenständig - im wahrsten Sinne des Wortes - beschrittenen Fußwegs zur Schule oder nach Hause. Denn wer zieht schon ernsthaft stickige Autoluft und die einschnürende Enge des Anschnallgurts frischer Luft und Bewegung vor? Ungut wird es, wenn der Trend hin zum privaten Taxi die Sicherheit der Kinder gefährdet, weil der Anfahrtsweg zur Schule der Kiss-and-Fly-Zone des Münchner Flughafens Konkurrenz macht. Für die neue Freisinger Realschule wird bereits eine Kiss-and-Ride-Zone geplant - aber vielleicht könnte auch der eine oder andere noch einmal prüfen, ob der Schulweg der Kinder tatsächlich so lang ist, dass er mit dem Auto zurückgelegt werden muss.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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