Schuldlos in Not geraten:Vor dem Abgrund

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Dreimal waren aus den Firmenwagen eines Neufahrner Ehepaares Navis gestohlen worden. Die Versicherung kündigte den Vertrag für die Autos. Von einem Tag auf den anderen stand eine Existenz auf dem Spiel

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Wenn Tanja Aigner ihre Geschichte erzählt, steht ihr der Schreck noch immer ins Gesicht geschrieben. Der Schreck darüber, wie schnell hinter einer scheinbar gesicherten Existenz plötzlich ein großes Fragezeichen stehen und eine ganze Familie an den Rand des finanziellen Abgrunds geraten kann. "Ich hatte mich schon bei der 'Tafel' angemeldet", erzählt die vierfache Mutter, die sich damals völlig alleingelassen fühlte.

Ihr Mann Robert betreibt einen Fachhandel für Kaffeeautomaten, vor kurzem hat die Firma einen Neubau in Mintraching bezogen. Vor dem Haus stehen die Firmenwagen, die eine wichtige Grundlage für das Geschäft sind, aber vor vier Jahren zum Riesenproblem wurden.

Es begann im Juli 2014. Damals wurde vor Aigners Privathaus im Neufahrner "Lohfeld" einer der Wagen aufgebrochen und das im Armaturenbrett eingebautes Navi gestohlen - genauso wie bei zwei Nachbarn in derselben Nacht.

Im Oktober, das Auto war gerade vier Wochen aus der Reparatur zurück, passierte es dann wieder, und im darauffolgenden Jahr ein drittes Mal. Auch da waren jeweils noch andere Fahrzeuge in der Umgebung betroffen. Robert Aigner beschloss, kein Navi mehr einbauen zu lassen, sondern nur noch eines "an die Scheibe zu pappen". Abends nimmt er es mit ins Haus, "seitdem ist Ruhe".

Für die Autoversicherung war der Fall aber nicht erledigt. Kurz vor Weihnachten 2015 hat sie die Flottenversicherung für alle sieben Firmenautos und die Privatautos gekündigt - und zwar gleich zum Jahresende, wie Tanja Aigner erzählt. Ersatz war praktisch nicht zu finden, bei der Vorgeschichte wollte keine andere Versicherung einen Vertrag abschließen.

Das Geschäft, das ohne Fahrten zu Kunden undenkbar ist, stand vor dem Aus. Mangels Versicherung hätten die Aigners nicht mal ersatzweise die Privatwagen einsetzen können. "Da geht es auch um Emotionen", sagt Tanja Aigner, "da kannst du plötzlich auf der Straße stehen." Buchstäblich in allerletzter Minute erklärte sich ein Anbieter bereit, eine Versicherung abzuschließen - mit entsprechendem Risikoaufschlag. Heute zahlen die Aigners 25 Prozent höhere Beiträge als früher - im Jahr sind das 6000 Euro mehr.

Im vergangenen Jahr kam dann ein Brief von der Polizei: Eines der drei gestohlenen Navis sei mit mehr als 1000 anderen Geräten in Litauen gefunden worden bei einem Mann, der im Januar 2018 dann in Freising vor Gericht stand. Er habe nicht gewusst, dass die Geräte gestohlen seien, soll er gesagt haben.

Am Ende bekam er 4000 Euro Geldstrafe, berichtet Robert Aigner, der als Zeuge geladen worden war.

Noch immer beschäftigt es Tanja Aigner, dass man "schuldlos in was reinrutschen" kann, und keiner ist zuständig: "Die Existenz ist bedroht, man kann nix dafür, und man fühlt sich völlig machtlos." Die Aigners haben jetzt Bewegungsmelder am Haus angebracht und für viel Geld eine Alarmanlage installieren lassen. Die Verunsicherung ist geblieben "Wenn jemand einen Meter vor unserer Haustür ein Auto aufbricht, was ist dann der nächste Schritt?", fragt sich Robert Aigner.

Eine Zeitlang hat er auch seinen Wagen vor dem Haus anders hingestellt, um ihn besser zu sehen. Dadurch ragte er freilich ein Stück in die Spielstraße - dafür gab es dann ein Knöllchen.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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