Schneller Freispruch:Der falsche Zwilling vor Gericht

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Jugendlicher muss sich wegen Volksverhetzung verantworten, die sein Bruder begangen hat

Von Alexander Kappen, Freising/Moosburg

Der Vorwurf, der gegen ihn im Raum stand, war nicht ohne. Er soll im Internet auf üble Art über Flüchtlinge hergezogen sein. Die Staatsanwaltschaft wollte ihn wegen Volksverhetzung zur Rechenschaft ziehen. Der Angeklagte wirkte trotzdem recht entspannt, als er mit seinem Verteidiger den Gerichtssaal betrat - denn der 20-jährige Moosburger wusste: Der Facebook-Account, auf dem die besagten Beschimpfungen gepostet wurden, gehört nicht ihm, sondern seinem Zwillingsbruder.

Darauf machte der Verteidiger das Gericht in seiner Einlassung gleich zu Beginn der Verhandlung aufmerksam. Jugendrichter Boris Schätz räumte nach Durchsicht der Akten dann auch schnell ein, dass hier wohl ein Ermittlungsfehler der Polizei vorliege. Er sprach den 20-Jährigen folgerichtig frei, während die Staatsanwältin ankündigte, noch am selben Tag ein Verfahren gegen den Bruder des Angeklagten einzuleiten.

Gegenstand des Verfahrens war ein Facebook-Kommentar zum Bericht einer Landshuter Zeitung, in dem es offenbar um das Landratsamt und Flüchtlinge ging. "Sofort raus mit dem Dreckspack aus Deutschland. Das geht gar nicht", war in dem Facebook-Post laut Anklage zu lesen. "Der Kommentar stammt nicht vom Angeklagten, das ist nämlich nicht sein Account", sagte der Verteidiger. Der Angeklagte hatte im Laufe der Ermittlungen offenbar mehrmals Kontakt zur Polizei und hätte bereits vor der Verhandlung Gelegenheit gehabt, auf den Fehler hinzuweisen. "Sie sind nicht verpflichtet, im Verfahren Angaben zu machen, aber das hätte die Sache natürlich erheblich erleichtert", sagte der Richter zum Angeklagten.

Sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger plädierten auf Freispruch. Der Angeklagte sagte in seinem Schlussvortrag: "Ich war es nicht und weiß gar nicht, warum ich hier bin." Der Richter konnte ihm das allerdings sehr genau erklären. Es liege mit Sicherheit ein Ermittlungsfehler vor, "aber wenn man sieht, dass etwas falsch läuft und wenn man mehrfach mit der Polizei telefoniert, dann kann man zur Aufklärung beitragen - und das haben Sie nicht gemacht, deshalb sind Sie heute hier".

Während der eine Bruder sich nach dem Verwirrspielchen über seinen Freispruch freuen konnte, wird der andere demnächst wohl auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Die Staatsanwältin ließ jedenfalls keinen Zweifel daran, dass sie den Hetzkommentar nicht hinnehmen und die Verfolgung des Urhebers weiter verfolgen wird. Die Strafe ist also nur aufgeschoben und bleibt, wenn man so will, in der Familie.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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