Scheidender Stadtjugendpfleger:"Freiheit und Freizeit vorgegaukelt"

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1986 ist Hartmut Fischer in Freising Jugendpfleger geworden - und es bis heute geblieben. Zum Ende des Jahres geht der Leiter der Stadtjugendpflege nun in den Ruhestand - aus Freising verschwinden will er aber keinesfalls. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit 1979 kümmert sich der 64-jährige Hartmut Fischer um die Jugend in Freising. Zu Jahresende tritt er ab und geht in Rente. Die Auswirkungen der digitalen Welt auf die Heranwachsenden sieht er kritisch

Interview Von Alexandra Vettori, Freising

Hartmut Fischer ist in Freising bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Ob als Leiter der städtischen Jugendpflege oder auch als Musikveranstalter. Ende des Jahres wird er seinen Job an den Nagel hängen und in Rente gehen.

SZ: Sie gelten als der dienstälteste Jugendpfleger Bayerns. Wie kommt's?

Hartmut Fischer: Weil ich schon seit 1979 im Freisinger Jugendzentrum gearbeitet habe und seit 1986 hier Jugendpfleger bin. Die Frage, warum ich so lange geblieben bin, ist einfach zu beantworten: Es ist ein interessantes Aufgabengebiet mit immer wieder neuen Herausforderungen. Ich muss da der Stadt Freising gleich Dank aussprechen: Die Stadtjugendpflege hier ist ein Vorzeigeprojekt in ganz Bayern, das sagt auch der Bayerische Jugendring. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Wie sah das aus, als Sie 1986 Jugendpfleger wurden?

Mein Sitz war schon immer das Jugendzentrum an der Kölblstraße, es hieß damals auch einfach noch Jugendzentrum. Es gab zwei Hauptamtliche und einen Praktikanten. Wir haben im Zentrum einen offenen Betrieb gehabt, ein Sommerferienprogramm und einen Spielbus.

Und heute?

Heute gibt es das Vis-a-vis als Treffpunkt für Jugendliche, Nachwuchsbands, für Kursangebote oder Konzerte, das Tollhaus als Offenen Treffpunkt für Jugendliche, junge Bands und die Skaterhalle, das Sebaldhaus und teilweise den Lindenkeller. Wir bieten eine offene Jugendarbeit mit Freizeitangeboten, immer noch den Spielbus und Ferienprogramme jetzt in allen Schulferien. Dazu kommt die Kulturarbeit im Lindenkeller und beim Uferlos, Streetwork, also die aufsuchende Jugendarbeit, wir sind Träger der offenen und gebundenen Ganztagsschule an drei Schulen. Beschäftigt sind 19 hauptamtliche Pädagogen in Voll- und Teilzeit, zwei Praktikanten, zwei Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, drei Verwaltungs- und drei Reinigungskräfte.

Es wird ja viel über die heutige, angepasste Jugend gemeckert, sehen Sie Unterschiede zu der vor 30, 40 Jahren?

Angepasste Jugendliche gab es immer. Die nicht Angepassten früher sind aber mehr aufgefallen, weil sie in der Öffentlichkeit auftraten, sehr politisch waren und Forderungen an die Politik gestellt haben, teilweise sehr massiv. Sie haben an eine friedliche, freie, glückliche Zukunft geglaubt und versucht, was zu bewegen. Sie haben Musik und Mode gemacht, die ihnen gefallen hat. Heute macht die Industrie Musik und Mode und sagt den Jugendlichen was "in" ist. Hat sich völlig umgekehrt.

Die Entwicklungen im EDV- und Handybereich ziehen die Jugendlichen immer mehr in ihren Bann. Auch hier werden Freiheit und Freizeit vorgegaukelt, wird eine irreale Welt aufgebaut. Mit Freunden trifft man sich nicht mehr, man kommuniziert per Smartphone. Ganz zu schweigen von den Gefahren des Internets. Nicht die Jugendlichen sind von Haus aus anders geworden, man verändert sie zu Nutzern, denen man alles vorgaukeln kann. Aber Schluss mit dem Meckern: Es gibt immer noch viele engagierte Jugendliche, die Sinnvolles in ihrer Freizeit tun und sich engagieren. Die übersieht man nur häufig...

Es ist eine Freisinger Besonderheit, dass die Jugendpflege maßgeblich am städtischen Kulturprogramm beteiligt ist. Wie kommt das?

Rock- und Bluesmusik war schon immer mein Interesse. In meiner Anfangszeit im Jugendzentrum war es selbstverständlich, die Freisinger Musikszene, besonders den Nachwuchs, zu fördern. Im Haus gab es auch eine bunte Künstlerszene, Musiker, Gestalter, Autoren. Die haben mich immer wieder aufgefordert, ein regelmäßiges Kulturprogramm anzubieten. Es bestand dann nicht nur aus Musik, sondern auch aus Lesungen und Kabarett. Daher auch meine frühen Verbindungen zu bekannten Musikern und Nachwuchskabarettisten wie Schlenger & Meilhamer, Michi Mittermeier, Andreas Giebel und vielen anderen. Was aus denen geworden ist, ist bekannt.

Mit der Neueröffnung des Lindenkellers 1996 wurde die Kultur ausgebaut, mit meinem Kollegen Fritz Andresen und dem Kulturamt. Meine Liebe zur Rockmusik konnte ich mit dem Einstieg beim Uferlos-Festival noch erweitern, da durfte ich dann sogar große Klassikrockbands nach Freising holen. Das besondere Schmankerl ist die Zusammenarbeit, ja teilweise Freundschaft zur Freisinger Musikszene, was bei den Rockklassiker-Veranstaltungen am Marienplatz immer wieder zu spüren ist.

Werden Sie Ihren Job vermissen?

Ich habe nicht vor, aus Freising zu verschwinden. Damit werde ich auch alle immer wieder sehen und treffen. Ob ich meine Finger ganz aus dem Kulturbetrieb nehme, glaube ich mal eher selbst nicht ganz. Ja, und nebenbei habe ich eine Familie, ein Wohnmobil, mache gerne selbst Beerenweine und muss mein Haus in Schuss halten. Ich glaube nicht, dass mir langweilig wird.

Mit der Nachfolgeregelung sind Sie zufrieden?

Absolut. Die Stelle wird sich aufteilen: Fritz Andresen wird sich um Jugendarbeit und Kultur kümmern und Stefan Memmler übernimmt den Bereich Schule und Kinderarbeit. Ich bin ja an den Schreibtisch gebunden als Leiter, die beiden teilen sich dann den Schreibtisch, dann ist mehr Zeit für andere Arbeit.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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