Ruf nach einer Aufwertung:Lehrer zweiter Klasse

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Viele Grund- und Mittelschulen leiden unter Personalproblemen - das liegt wohl auch daran, dass Pädagogen an Gymnasien mehr verdienen

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Der Lehrermangel an Bayerns Grund-, Mittel- und Förderschulen ist massiv. So massiv, dass das Kultusministerium zu drastischen Schritten greifen und einen Frühpensionierungsstopp für Lehrer an diesen Schulen durchsetzen wollte. Nach Protesten aller Lehrerverbände bremste Ministerpräsident Horst Seehofer Ende vergangener Woche den Vorstoß des Kultusministeriums. Die Entscheidung wird auch im Landkreis begrüßt.

"Gott sei dank ist das erst einmal vom Tisch", sagt die Kreisverbandsvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Kerstin Rehm. "Moralisch wäre das nicht zu vertreten gewesen", meint sie. Das sei keine "anständige Form", dem Lehrermangel zu begegnen. "Das wäre auf Kosten der Gesundheit der betroffenen älteren Lehrer gegangen. Das hätte dem Fürsorgeprinzip nicht Rechnung getragen", betont Rehm.

Gelöst sei der eklatante Lehrermangel im Grund- und Mittelschulbereich bisher aber nicht, "das Thema beschäftigt mich schon sehr lange", sagt Rehm. Sie habe erst vor Kurzem gemeinsam mit Vertretern anderer Lehrer-Gewerkschaften Vorschläge erarbeitet, wie die Personalsituation verbessert werden könne. Ganz wichtig sei die befristete Aussetzung der externen Evaluation - also der Überprüfung einer Schule - für die nächsten Jahre, "als ressourcenschonende und belastungsmindernde Sofortmaßnahme". Die Evaluation binde unglaublich viele Lehrerstunden, sagt Rehm. Auch könnten zukünftig statt Grund- oder Mittelschullehrer andere geeignete Kräfte - beispielsweise arbeitslose Lehrer aus dem Gymnasial- oder Realschulbereich - die Aufgabe des sogenannten Übergangslotsen, die Kindern den Übertritt an das Gymnasium erleichtern, übernehmen. Genauso könnten die Vorkurse Deutsch für ausländische Kinder durch externes qualifiziertes pädagogisches Personal übernommen werden. "Das würde die Situation schon sehr verbessern." Grundsätzlich wichtig aber sei, die Zufriedenheit bei den Grund- und Mittelschullehrern zu steigern: Dazu müsse die Attraktivität des Berufsbildes verbessert werden, fordert Rehm. "Und dazu gehört auch ein angemessenes Gehalt - bestenfalls die gleiche Bezahlung von Lehrkräften aller Schularten."

Dass verschiedene Schularten nicht unterschiedlich besoldet werden sollten, sagt auch Josef Eschlwech, Rektor an der Grundschule am Fürholzer Weg in Neufahrn. "Das ist unfair, denn inzwischen sind alle Ausbildungen universitär." Ein anderer Anreiz könne sein, jungen Lehrern zukünftig in einem immer anspruchsvolleren Unterricht mehr Unterstützung zu bieten - beispielsweise durch Sozialpädagogen. Eigentlich aber sei es nicht Aufgabe der Lehrer, Verbesserungsvorschläge zu machen, "die Personalpolitik muss die Regierung tragen". Mit dieser aber, so sagt Eschlwech noch, sei es mittel- und langfristig "nicht zum besten bestellt."

Wenn es immer weniger Lehrer gebe, dann werde auch das Unterrichtsangebot schlechter: Das befürchtet Renate Bruckmeier, Leiterin der Grund- und Mittelschule in Neustift. "Die Förderstunden beispielsweise fallen dann weg." Eine Lösung sieht Bruckmeier in einer Annäherung der Ausbildung bei den Lehrern - bei gleichzeitiger Gehaltsangleichung. Dann nämlich wäre eine Nachqualifizierung von Lehrern, die in den Grund- und Mittelschulbereich wechseln, nicht mehr notwendig. Derzeit gebe es an Gymnasien noch das Prinzip der Fachlehrer, an Grund- und Mittelschulen dagegen das der Klassleiter. "Das ist sehr unterschiedlich. Es ist schon schwierig, sich dann umzustellen", sagt Bruckmeier.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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