Reden wir über:Platzräuber auf der Weide

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Matthias Maino kritisiert Ratgeber im Landwirtschaftsamt

interview Von Ronja Schamberger

Das Landesamt für Landwirtschaft (LfL) hat den "Praxisratgeber Unkrautmanagement auf Wiesen und Weiden" herausgegeben, der den Bauern Tipps gibt, wie sie "minderwertige Platzräuber", also Blumen und Pflanzen, die nicht für hochwertiges Viehfutter geeignet seien, auf schnelle Art loswerden können. Matthias Maino, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbandes in Freising, sieht das kritisch.

SZ: Herr Maino, was halten Sie von der Broschüre, in der 49 Pflanzenarten als Schädlinge aufgelistet sind?

Matthias Maino: In dieser Publikation wird die landwirtschaftliche Produktion mit den Pflanzengesellschaften vermischt. Durch ein selektives Denken, das Pflanzen in gut und schlecht einteilt, wird die Pflanzengesellschaft zerstört. Eigentlich müssten die sogenannten Kennzeigerarten wie die Kohldistel, der Storchschnabel oder der Wiesenknöterich als Überlebensarten einer Pflanzensoziologischen Gemeinschaft gelten und nicht als Unkräuter.

Warum sind Umweltschützer so empört?

Die Pflanzengesellschaft, die aus rund 80 Pflanzen bestehen kann, kann in ihrem ökologischen Wert schon zerstört werden, wenn nur eine ihrer Pflanzen vernichtet wird. Dies hat auch Auswirkungen auf die Tierwelt, deren Nahrungsquelle die artenreichen Wiesen und Weiden sind. So ist der Randring-Perlmutterfalter auf den Schlangen-Wiesenknöterich als Futterpflanze angewiesen, die der LfL-Ratgeber jedoch als "Platzräuber" bezeichnet. Bei generell schwindenden Wiesenflächen sind also auch einige Tierarten bedroht, wenn die im Ratgeber genannten Blumen- und Pflanzenarten zerstört werden.

Welche Auswirkungen können die vorgeschlagenen Bekämpfungsmethoden wie Entwässerung der Wiese oder der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das Ökosystem der Wiese haben?

Generell kann sich dadurch das Grundwasser nachhaltig verschlechtern und das aktive Bodenleben wird zerstört. Die Entwässerung ist auch vollkommen unvereinbar mit den Klimaschutzzielen und mit dem dringend erforderlichen Aufbau neuer Rückhalteflächen für den Hochwasserschutz.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl spricht im Zusammenhang mit dem Ratgeber sogar von Gesetzesbruch .

Artenreiche Wiesen zählen zu den Flora-Fauna-Habitat (FFH) - Lebensraumtypen, diese sind hochgradig geschützt. Hier könnte auch das Artenschutzgesetz und der Biotopschutz greifen. Ein Eingriff wäre demnach ein Gesetzesbruch.

Glauben Sie, dass die Futtermittelproduktion auch hier in Deutschland die Biodiversität zu verdrängen beginnt?

Ja. Ich glaube, dass zwei Welten aufeinander treffen: die Agrarproduktion zum einen und die ökologische und standortgerechte Arbeit im Grünland zum anderen. Es scheint, als öffne man ein Tor für die Vernichtung vieler weiterer Arten, wenn man akzeptiert, dass die Kohldistel oder der Wiesen-Storchschnabel für Unkräuter gehalten werden. Alleine das Denkmuster, diese Pflanzen als Platzräuber abzutun, ist schon hoch gefährlich für die Biodiversität.

Dagegen sagt der LfL-Chef, man könne nicht gleichzeitig hochwertiges Tierfutter und Blumenwiesen haben.

Er müsste da genauer differenzieren. Zum Beispiel benötigen Raufutterfresser wie Pferde eher grasiges Material mit Stängeln, das sie nur auf einer Wiese mit hoher Artenvielfalt finden. Bei Hochleistungsrindern verhält sich das wieder anders. Aber diese Pauschalaussage ist ohne eine Differenzierung in die unterschiedlichen Tierarten haltlos.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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