Fantasiereisen mit "Birkennase":"Unsere Sinne sind viel größer als unser Verstand"

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Volker Patalong organisiert regelmäßig Märchen-Erzählabende in einem Tipi im Wald - wichtig ist ihm dabei der enge Kontakt zur Natur und dass er bei den Teilnehmern innere Bilder weckt.

Interview Von Angie Fuchs, Freising

Es müssen nicht immer harte Fakten und Umweltbildung sein, um bei Groß und Klein das Interesse für Wald und Natur zu wecken. Vielleicht ist manchmal sogar das Gegenteil der Fall: Durch das Erzählen von Märchen in und von der Natur, durch Seminare und Naturtage versucht Volker Patalong nicht nur seinen Zuhörern ein intensives Natur-Erleben zu ermöglichen, er möchte auch ihre Seele erreichen.

SZ: Stammen Sie aus einem sehr naturverbundenen Elternhaus?

Patalong: Ja, meine Eltern sind mit mir und meinen zwei Brüdern fast jedes Wochenende irgendwo in der Natur unterwegs gewesen. Ich habe diese Wanderungen immer genossen und dabei viel geträumt - vielleicht war das schon eine Einstimmung auf die Arbeit mit den inneren Bildern jetzt, die beim Märchenerzählen entstehen. In der Schulzeit habe ich Frösche und Molche aufgezogen, die wir zum Teil von solchen Ausflügen als Laich mitbrachten und die auch bei mir überwinterten.

Haben Sie als Kind auch viele Märchen gelesen beziehungsweise haben Ihre Eltern vorgelesen?

Meine Eltern haben ab und zu vorgelesen, auch mal Märchen, aber nicht oft. Ich selbst fing auch erst während meiner Gärtnerlehre an, mich vermehrt mit dem Thema zu beschäftigen. Am Ende des Forststudiums entdeckte ich dann meine Liebe zu Geschichten und Märchen im Wald.

Um was geht es bei einem Märchen-Seminar?

In den Seminaren geht es nicht um die Interpretation der Märchen, sondern viel mehr darum, was sie in den Teilnehmern in Bewegung bringen: So kommen sie in Kontakt mit ihren inneren Bildern und das Märchen wird zu ihrer persönlichen Geschichte. Ich benutze alte Volksmärchen, vorwiegend aus Europa, aber nie die bekannten Märchen. Die sind, etwa durch Filme, schon belegt und erzeugen oft nur noch vorgefertigte Bilder. Außerdem lese ich nicht vor, ich erzähle frei. Da entsteht ein intensiverer Kontakt zwischen Erzähler und Zuhörern. Und durch Impulse zur Begegnung mit der Natur wird das eigene Erleben lebendig.

Ihr Künstlername ist "Birkennase" - nach ihrem Lieblingsmärchen?

Ja, es ist eins der ersten Märchen, das ich vor rund 20 Jahren kennengelernt habe: Darin geht es darum, sich auf den Weg zu machen, das, was Angst macht, zu überwinden und kreativ mit dem umzugehen, was man in der Natur vorfindet. Es erzählt etwas, das auch zu mir passt.

Wie entstand die Idee für ein Erzähl-Tipi in Freising?

Für Kurse und Vorträge bin ich viel herumgereist und irgendwann fiel mir auf: Im Kreis Freising, wo ich zu Hause bin, machte ich fast gar nichts. Als ich dann bei Bekannten am Bodensee in einem Tipi übernachten durfte, kam mir die Idee, dass dies der perfekte Rahmen für stimmungsvolle Erzählabende für Erwachsene und Kinder wäre. Ich habe bei vielen Spaziergängen nach einem geeigneten Platz gesucht. Matthias Maino vom Landschaftspflegeverband hat mich dann auf einen Ort nahe der Plantage aufmerksam gemacht und der war perfekt. Schon durch den Weg dorthin lässt man den Alltag hinter sich.

Könnten Sie wieder einen "Nine to five"-Job machen?

( lacht) Das habe ich noch nie ausprobiert. Nach dem Studium habe ich gleich als Selbständiger in der Umweltbildung gearbeitet. Dabei habe ich gemerkt, wenn ich in die Kurse Geschichten einbaue, sind die Kinder aufmerksamer. Peu à peu kamen immer mehr Anfragen zum Erzählen.

Welche Vorteile haben Naturtage mit Märchen und Geschichten für Kinder?

Kinder sind meist nicht so zielorientiert unterwegs wie Erwachsene und nehmen so oft noch viel mehr Details wahr. Dieser Zugang zur Natur bleibt den Kindern dann auch später erhalten. Viele unruhige Kinder werden beim Erzählen beispielsweise ganz ruhig. Und: mit Märchenerzählungen erreicht man auch Kinder, die noch nicht so perfekt deutsch können: Meine Geschichten werden auch lebendig, wenn man nicht alles versteht. Unsere Sinne sind viel größer als unser Verstand.

Wie entdecken Sie neue Märchen?

Vor allem durch Erzähler-Treffs, die beispielsweise der "Verband für Erzählerinnen und Erzähler" anbietet, wo ich Mitglied bin. Aber zum Teil auch einfach übers Lesen.

Was muss man sich unter einem Visionssuche-Seminar vorstellen?

Die Seminare sind eine Möglichkeit, Lebensübergänge aktiv und fürsorglich zu gestalten. Sie finden in kleinen Gruppen statt und dauern immer zehn Tage. Drei Tage davon verbringen die Teilnehmer einzeln an einem von ihnen selbst ausgewählten, geeigneten Ort in der Natur, um zu sich zu finden.

Also jeder in einem Zelt?

Nein, nur unter einer Plane. So haben sie mehr Kontakt zur Natur und fühlen sich trotz der Einfachheit oft schnell zuhause an ihrem Platz.

Spielt Natur in Ihrer Freizeit auch eine Rolle?

Ich gehe gern mit meiner Frau wandern. Ich mache gerne für mich Musik und ich habe schon immer gern gelesen. Außerdem habe ich vor einiger Zeit angefangen, Naturkunst aus Dingen zu machen, die ich beim Umherstreifen in der Natur finde. Das Ergebnis nehme ich dann aber nicht mit, nur ein Foto davon.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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