Freisinger Kopf Patrick Romer:"Die Freisinger Mitte hat viele Alphatiere"

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Patrick Romer, gebürtiger Schweizer und Vorsitzender der Freisinger Mitte (FSM), über die eigentlichen Gründe für den Austritt der Stadträte aus der CSU-Fraktion, den Nachteil des Vereinsnamens und den FSM-Kodex.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Der Duft von frisch gebackener Pizza liegt noch in der Luft, die Realschüler, mit denen Patrick Romer, der Vorsitzende der Freisinger Mitte (FSM), an diesem Vormittag gebacken hat, verlassen gerade das Freisinger Backhaus an der Kammergasse. Jetzt hat Romer Zeit für ein Gespräch über den Verein, den er selber - als Schweizer - noch nicht wählen darf: Er habe die doppelte Staatsbürgerschaft beantragt, erzählt er gerade, als sein Handy klingelt. Er entschuldigt sich, da müsse er ran - es gehe um die Jubiläumsfeier, bei der man sich bei den Mitgliedern bedanken wolle. Das ist aber nicht die einzige Feierlichkeit, mit der das fünfjährige Bestehen zelebriert wurde: Ein unterhaltsamer Abend mit Quizduell und dann am Samstag noch die eigentliche große Feier. Aber auch eine Schnitzeljagd für Kinder rund um Freising gehörten zum Festprogramm dazu, denn: "Die Freisinger Mitte macht etwas für die Familie", betont Romer.

Herr Romer, mal ganz ehrlich: wie schwierig ist es, einen so zusammengewürfelten Haufen wie die FSM zu führen?

Gute Frage! Eigentlich ist es gar nicht so schwierig. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel, es ist nicht so kompliziert, wie es ausschaut. Natürlich sind es alles Individuen - und wir haben eine große Bandbreite an Themen. Aber wenn sich alle an eine Gesprächskultur hält, dann funktioniert es.

Dem Paukenschlag vor fünf Jahren - dem Austritt von Stadträten aus der CSU-Fraktion - folgte die Gründung der FSM. Was war damals der eigentlich Grund für den Eklat? Die Startbahndebatte oder - wie immer wieder behauptet - Ressentiments gegen den damaligen OB-Kandidaten Rudolf Schwaiger?

Der Hauptgrund war sicher der damalige Haltung der Landes-CSU, die sich eindeutig für eine dritte Startbahn ausgesprochen hatte. Es gab damals interne Diskussionen, man war sich einig, dass man diesen Entschluss nicht mittragen wollte. Aber sicherlich hat die Nominierungsgeschichte (damals entschied sich die CSU bei einer internen Abstimmung Rudolf Schwaiger und nicht Tobias Eschenbacher ins Rennen um den OB-Sitz zu schicken; Anm. d. Red.) auch eine gewisse Rolle gespielt.

Die FSM wurde bewusst in Form eines Vereins gegründet, um offen für alle zu sein. Sehen Sie sich denn als Sammelbecken für alle, die eine neue politische Heimat suchen?

Nein, wir haben diese Form aus dem Grund gewählt, weil sie in unseren Augen mit ihren Ausschüssen und anderen Gremien eine bessere Struktur bietet. Die Mitglieder bilden das höchste Organ, das heißt, wenn ich Mitglied bin, habe ich die Möglichkeit, mich zu beteiligen. Ein Bürgerverein spricht auch Menschen an, die nicht in einer Partei sein wollen, sich aber dennoch politisch engagieren wollen.

Ihr Name lautet Freisinger Mitte. Stehen Sie heute in der Mitte, im Zentrum Freisings?

Das ist der Nachteil des Namens: Man kann ihn falsch interpretieren. Die Mitte ist hier nicht geografisch gemeint, sondern wir stehen in der politischen Mitte und dort sind wir definitiv angekommen. Das sieht man auch an unseren Projekten, die schon bei der OB-Wahl formuliert wurden. Wir fühlen uns für die Stadt, für alle Ortsteile, aber auch für den Landkreis verantwortlich. Wir beschränken unsere Aktivitäten nicht auf die Stadt, deshalb gab es ja auch den Entschluss, in die Kreispolitik zu gehen. Auch, wenn es manchmal nicht leicht ist bei dem großen Spektrum an Themen.

Als Ziele nannte die FSM schon frühzeitig langfristig angelegte Themen - wie beispielsweise die Innenstadtkonzeption. Reinhard Fiedler sprach von "langwierigen Prozessen". Ist es für den Bürger nicht unbefriedigend, weil sich sichtbar nicht viel verändert - aber alles viel kostet?

Alleine die Innenstadtkonzeption beinhaltet 23 Punkte, das ist sehr viel. Was die Stadt Freising gemacht hat, ist einzigartig: eine Bürgerbeteiligung von Anfang an. Für uns ist es schwierig, wenn wir hören: "Wir wissen nichts, wir sind nicht informiert". Wir informieren sehr wohl. Sicher dauert manches etwas länger, das hat aber seine Gründe. Ein freier Träger hätte beispielsweise die neue Eishalle in der Hälfte der Zeit realisieren können, wir haben es mit einer ganz anderen Bürokratie und ganz anderen Auflagen zu tun. Das sieht der Bürger natürlich nicht. Wenn er sich aber finanziell selber beteiligen muss, wie bei der Maßnahme in der Heilig Geist Gasse, dann hat man eine andere Reaktion. Dann werden sie sich bewusst, dass etwas passiert.

Ein anderes Ziel war, den Menschen die Kommunalpolitik verständlicher zu machen. Ist das gelungen?

Teils, teils. Natürlich muss auch ein Interesse da sein. Eines unserer Ziele ist, zu informieren, zu kommunizieren. Es besteht die Möglichkeit, sich über die bei uns laufenden Prozesse zu informieren. Beispielsweise bei den Bürgerversammlungen, bei unseren Fokusveranstaltungen, einer Art Stammtisch, bei der wir über verschiedene Themen sprechen, in den Bürgersprechstunden. Oder indem man dem OB eine Mail schreibt - auf die dieser übrigens antwortet. Auch auf unserer Website sind alle Funktionsträger aufgelistet. Wer eine Frage hat, kann sich immer melden. Grundsätzlich funktioniert das schon.

Transparenz wird bei Ihnen groß geschrieben. Wie transparent sind Sie auf einer Skala von null bis zehn?

Da muss man extrem unterscheiden: Es gibt Themen im Stadtrat, die nicht öffentlich besprochen werden und die wir natürlich auch nicht kommunizieren. Was uns aber grundsätzlich sehr wichtig ist, ist Entscheidungen, die getroffen wurden, nachvollziehbar zu machen. Also ich würde sagen, unsere Transparenz ist relativ hoch. Bei einer Skala von null bis zehn bei etwa acht. Wir haben eine Art Kodex, die Werte der Freisinger Mitte: Dazu gehören - neben der Transparenz - unter anderem eine sachorientierte Politik, also den anderen politischen Gruppierungen auf Augenhöhe zu begegnen ohne Angriffe und Diffamierungen.

Es gab aber auch Turbulenzen - als Oliver Pflügler 2013 die FSM verließ, sprach er von Machtspielen, Intrigen und Mobbing - und manch Freisinger wunderte sich, wie schnell Florian Notter Stadtarchivar wurde. Bleibt da nicht etwas haften?

Nein, auf keinen Fall. In einer Gesellschaft mit verschiedenen Menschen gibt es unterschiedliche Meinungen und Auffassungen. Als sich die Fraktion neu gebildet hat, stellte sich natürlich die Frage, wer was macht und in welchen Ausschuss geht. Ein Verein wie die Freisinger Mitte hat viele Alphatiere, jeder hat gewisse Vorstellungen und das muss dann ausgefightet werden. Ich persönlich habe übrigens noch Kontakt mit Oliver Pflügler. Und die Sache mit Florian Notter? Er hat sich auf die Stelle als Leiter des Stadtarchivs ganz normal beworben und konnte mit seiner Kompetenz überzeugen.

2013 sprach Tobias Eschenbacher - das war, als Sie zum Vorsitzenden gewählt wurden, - davon, die FSM sei ein Verein, der im Entstehen ist. Sind sie inzwischen "fertig"?

Was heißt fertig? Eigentlich ist man nie fertig... alleine schon deshalb, da immer neue Themen dazukommen. Aber wir haben mittlerweile ein gewisses Level erreicht, die Ausschüsse funktionieren gut, auch unsere Kommunikation - übrigens auch mit den anderen Fraktionen.

Was wäre die FSM ohne OB Tobias Eschenbacher?

Die Freisinger Mitte könnte theoretisch auch ohne Tobi existieren, aber ich denke, es ist eine Symbiose und Tobi ist für den Verein genauso wichtig, wie der Verein für ihn ist. Tobi ist sicher derjenige, der damals für unseren Erfolg verantwortlich war: Die Entscheidung, den Wahlkampf mit ihm zu machen, war weitsichtig und richtig. Es war aber nicht so, dass die Freisinger Mitte gegründet wurde und sofort feststand, wie wir es machen - das war ein Prozess. Dass wir es richtig gemacht haben, sieht man ja auch an den weiteren Mandatsträgern in unseren Reihen und an den vielen weiteren Persönlichkeiten, die sich für Freising einsetzen.

Sind Sie stolz auf das, was man geschafft hat? Seit der Gründung wurden Sie zur stärksten Fraktion und stellen den Oberbürgermeister.

Ja, wir sind stolz - und nicht nur darauf. Wir sind auf einem guten Weg: Wir haben mittlerweile etwa 200 Mitglieder. Auch finanziell läuft es gut und bis Ende des Jahres werden wir alle Darlehen, die wir für den Wahlkampf benötigten, an unsere Mitglieder zurückgezahlt haben - sogar verzinst. Wir haben allen Grund zu feiern.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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