Ohne echte Hilfe:Schlechte Aussichten

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Er liebt seine Arbeit und die Tiere, doch manchmal denkt Martin Forster wegen des Preisverfalls bei der Milch auch daran aufzugeben. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Preisverfall macht den Milchbauern im Landkreis zu schaffen, auch die Forsters aus Tölzkirchen leben derzeit von der Substanz. Was sie vermissen, ist eine echte Perspektive - beispielsweise durch mehr Exporte

Von ALEXANDRA VETTORI, Nandlstadt

84 Milchkühe stehen im Stall von Martin und Andrea Forster. Damit gehört das Ehepaar aus dem kleinen Dorf Tölzkirchen in der Gemeinde Nandlstadt zu den großen Milchbauern im Landkreis. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt hier bei nur 40 Tieren. Unter dem anhaltenden Preisverfall der Milch leiden auch die Forsters, obwohl sie zu den Glücklichen gehören, die gerade nicht groß investiert und mit der Molkerei Weihenstephan einen Partner haben, der vergleichsweise akzeptable Preise zahlt. Derzeit sind es 25,5 Cent, die Forster für das Kilogramm Milch bekommt, der Preis richtet sich auch nach Inhaltsstoffen wie Fett oder Eiweiß.

Den Kühen, die sich frei in ihrem Offenstall bewegen, ist das egal. Zufrieden mampft das Simmentaler Fleckvieh sein Futter aus der Rinne am Stallrand oder döst in der Mitte auf dem Strohlager. Tölzkirchen liegt malerisch auf einem Hügel, "freie Sicht nach Süden, das haben nur die wenigsten Kühe", sagt Martin Forster und lacht. Der Humor ist ihm nicht abhanden gekommen, auch nicht die Liebe zu seinem Beruf oder den Tieren, und doch denkt der 40-Jährige immer wieder auch ans Aufhören. "Wir arbeiten momentan teilweise für einen Stundenlohn von zwei Euro, da überlegt man schon", sagt er. Zehn Stunden dauert sein Arbeitstag, los geht es um fünf Uhr morgens mit dem Melken, dann folgen die Stallarbeit, das Büro, die Feldarbeit, bis um 16.30 Uhr das nächste Melken ansteht, sieben Tage die Woche. "Manchmal", sagt Andrea Forster, tue es ihr um die beiden Kinder leid, wenn Familienausflüge früher enden oder eben gar nicht erst stattfinden. Dagegen aber stehen das weite Gelände des heimischen Hofes, das Trampolin, die Gehege mit Hühnern und Hasen. Immerhin: Für den Jahresurlaub hat man Verwandte, die sich um das Vieh kümmern.

Natürlich könnte Forster den Milchpreis noch steigern, mit mehr Kraftfutter für die Kühe und entsprechend höherem Eiweißgehalt in der Milch, "aber das kostet wieder mehr Geld und ist schlecht für die Tiergesundheit. Die aber steht ganz oben bei uns". Er ist kein Biobauer, seine Tiere werden konventionell gefüttert, mit selbst angebautem Getreide und Silage, mit Biertreber als heimischem Eiweißträger, mit Kartoffelresten aus der Stärkeproduktion, mit Zuckerrübenschnipsel, und, ja, auch ein wenig Sojaschrot. 50 Kilo Futter täglich braucht eine Kuh, dafür gibt sie gut 26 Liter Milch am Tag. Dass das Tierwohl Forster am Herzen liegt, spürt der Besucher sofort. Der Landwirt hat eine Dusche für die Milchkühe gebaut, die sie in einer Ecke des Stalles in Gang setzen können, was sie auch tun. Immer wieder kommt eine nasse Kuh vorbei, die schwüle Hitze behagt ihnen nicht. Auch den Motor einer Dreh-Bürste bedienen die Tiere über einen Hebel selbst, die Rückenmassage ist begehrt, ständig steht eine Kuh darunter.

Es sei schon so, erzählt Forster, dass die Milchbauern in den zwei vergangenen Jahren gut verdient haben. 2014 gab es 39 Cent pro Kilogramm, damals bekam Forster 6000 Euro mehr im Monat. Jetzt lebt er von der Substanz. "Können Sie sich vorstellen, was die machen, die Hunderttausende in einen neuen Stall investiert haben?", fragt er. Hier setzt übrigens das erste EU-Paket an. Laut Forster gibt es 10 000 Euro Liquiditätsbeihilfe je Betrieb, im Klartext: Um Unterstützung zu erhalten, muss ein Bauer Schulden haben. Forsters Kommentar dazu: "Das ist eine Leidensverlängerung, mehr nicht." Er selbst bekommt nichts, der Betrieb ist maßvoll gewachsen, große Investitionen waren nicht nötig, der Schlepper ist aus den siebziger Jahren.

Forster, der auch im Verband der Milchviehhalter tätig ist, wünscht sich statt solcher Hilfen eine andere Lösung: "Wir haben 170 Prozent Selbstversorgungsrate in Bayern, wir müssen raus auf die Märkte", sagt er. Da sei die Politik gefragt, mit einem Abbau von Handelsbeschränkungen. Deutsche Milch sei begehrt in der Welt, in China etwa, sie könnte auch helfen, eine drohende Hungersnot in Venezuela zu lindern. Auch der weggefallene Handel mit Russland tut weh, "da panschen sie jetzt Milchpulver mit Kreide", so Forster. Steuerliche Erleichterungen wären eine kleine Unterstützung, derzeit zahlen die Betriebe noch die hohen Steuern aus den vergangenen, guten Jahren nach. "In der freien Wirtschaft kann so was geschoben werden, das wäre doch auch in der Landwirtschaft machbar", schlägt Forster vor. Der Milchquote weint er nicht nach, die habe 2009 den großen Preisverfall auch nicht verhindert. Außerdem werde durch die neue Düngeverordnung ohnehin gerade wieder eine Beschränkung aufgebaut. Der falsche Weg, wie der Milchbauer findet, "es fehlt einfach die Perspektive nach vorne".

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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