Neue Erfahrung:Mehr Qualität ohne Smartphone

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SZ-Mitarbeiter und Digital Native Tobias Weiskopf hat die Fastenzeit ohne sein Handy und ohne Messenger-Dienste verbracht. Sein Fazit: Es fehlt viel, doch es entsteht auch neuer Raum.

Von Tobias Weiskopf, Freising

Ein etwas verzerrtes Gesicht, ein schiefer Blick von der Seite und immer wieder die eine Reaktion: "Wie soll ich dich denn dann erreichen?" Das Smartphone ist für die allermeisten nicht mehr wegzudenken. Insbesondere in Sachen Kommunikation will dank Messenger-Diensten wie WhatsApp kaum jemand auf sein Mobiltelefon mit Touchscreen verzichten. Doch wie ist es offline ganz ohne iPhone? Kriegt man noch etwas mit, ist man so abgeschottet, wie viele befürchten? Ein Fazit zu sieben Wochen ohne iPhone.

Das Smartphone-Fasten beginnt wie üblich am Aschermittwoch. Am Vorabend ein kurzer Gruß an die Follower der Instagram-Story, eine Status-Update bei WhatsApp, ein kleiner Post bei Facebook: "Ich bin dann mal offline." Für die kommenden anderthalb Monate nur noch telefonisch, per SMS und E-Mail erreichbar. Kurz vor Mitternacht wird dann das Smartphone ausgeschalten und ein Siemens-Tasten-Handy aus dem Schrank hervorgekramt. Beim Einschalten des blau-weißen A50 leuchtet der Bildschirm orange, die Schrift ist schwarz und das Abenteuer beginnt.

Doch warum sollte man überhaupt auf sein Smartphone verzichten? Schließlich bringe es doch nur Vorteile, so die überwiegende Meinung. Aber mal ehrlich: Wir sind viel zu viel und eigentlich durchgehend am Handy. Der erste Griff am frühen Morgen geht für viele ans Handy. Im Tagesverlauf gilt: Sobald das iPhone vibriert, haben wir das innere Verlangen sofort einen Blick drauf zu werfen. In Meetings liegt das Smartphone auf dem Tisch und sobald der Bildschirm kurz aufleuchtet, kommt der nervöse Blick, um nichts zu verpassen. Selbst bei einem gemütlichen Abend mit Freunden zücken wir unser Smartphone aus der Hosentasche und checken unseren Startbildschirm auf Neuigkeiten - und das obwohl wir ja eigentlich mitten unter unseren Freunden sind. Sobald man beim Arbeiten oder Lernen nicht weiterkommt, wird das Handy gezückt und wir lassen uns liebend gerne von der virtuellen Vielfalt ablenken.

Die ersten Tage ohne Smartphone waren dann auch tatsächlich hart. Es erfordert Umgewöhnung, man lernt wieder mit T9 zu tippen und beginnt seine Freunde wieder anzurufen, anstatt zu schreiben. Die ersten Erfolgserlebnisse folgen sofort: Die Kommunikation klappt viel schneller und Missverständnisse kommen erst gar nicht auf, da die Stimme am Telefon Botschaften viel klarer transportiert als eine Textnachricht mit Emojis. Es werden wieder tiefere Gespräche geführt, man fragt nicht einfach so den anderen, wie es ihm geht, sondern weil der Klang der Stimme am Hörer das Verlangen schafft. Man merkt, wie verwurzelt das Smartphone im Alltag ist, mit Dingen die man erst einmal gar nicht auf dem Schirm hat: Google Maps als Navi, Handy-Tickets für Bus und Bahn, Bordkarte für den Flieger, Freigabe des Online-Bankings. Das Smartphone ist längst ein wichtiger Begleiter geworden, der den Alltag einfacher gestaltet. In den sieben Wochen "ohne" vermisst man vieles, doch es entsteht Raum für Veränderungen, neue Perspektiven und mehr Lebensqualität. In Bus und Bahn kann man wieder gemütlich ein Buch oder Zeitung lesen, anstatt sich durch den Sumpf aus News auf seinem Smartphone zu scrollen. Und eins ist sicher: Abgeschottet ist man wirklich nicht. Echte Freunde rufen an, schreiben es oder stehen einfach mal mit einem freundlichen Grinsen vor der Tür.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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