Nandlstadt:Bis dass der Holzbrandofen glüht

Lesezeit: 3 min

In der Töpferei von Rupert Grottenthaler in Nandlstadt steht der einzige Sasukenei-Brennofen Europas. Anlässlich der Ausstellung "Figur-Kunst-Keramik" wird er im Juli mit zehn Ster Holz angeheizt

Von Rebecca Seeberg, Nandlstadt

Der Bucklige ist im Putz erstarrt, seine grausig verkrümmte Wirbelsäule für immer mit dem Klavierhocker verwachsen, die gekrümmten Finger im ansetzenden Tremolo gestockt. Mit der nie gespielten Musik im Ohr wenden die Betrachter ihren Blick und bleiben an den Augen eines grauen Fisches hängen, der sich einige Wände weiter über eine riesige Leinwand windet, während gegenüber eine zierliche Figurine einen Luftkuss an ihren Geliebten schickt. Sechs Künstler aus Deutschland, Japan und England präsentieren in diesem Kabinett der festgehaltenen Dynamik ihre Werke, darunter auch Rupert Grottenthaler, Gastgeber und bekannter Nandlstädter Künstler.

Figur-Kunst-Keramik, kurz FKK, ist das Thema der Ausstellung, welche die Töpferei Grottenthaler anlässlich der 1200-Jahr-Feier in Nandlstadt vom 10. bis zum 26. Juli veranstaltet. Der Titel habe nichts mit Freikörperkultur zu tun, so Gastgeberin Rotraut Grottenthaler, sondern sei nur als Blickfang gedacht. Seit fast 30 Jahren leitet ihr Mann Rupert seine eigene Werkstatt und hat sich nach und nach einen gewissen Bekanntheitsgrad aufgebaut. Der Keramiker begeistert mit seiner Kunst und seiner ununterbrochenen Experimentierfreude. Er fertigt vor allem Gebrauchsgegenstände wie Teller und Schalen an und kann dabei auf ein großes handwerkliches Können zurückgreifen.

Auf ständiger Suche nach neuen Arbeitsweisen und Ideen baute Grottenthaler 2008 nach dem Plan des Japaners Masakazu Kusakabe den ersten sogenannten Rauchlosen Sasukenei-Brennofen in Europa. Aufgrund des hohen Aufwands und der Kosten - es muss jedes mal mit zehn Ster Holz geheizt werden - wird nur zweimal im Jahr damit gebrannt. Die Ausstellung ist eine der wenigen Gelegenheiten, an denen Rupert Grottenthaler den Holzbrandofen zum Glühen bringt und die von den Gästen in zwei Tagesworkshops erarbeiteten Keramiken glasiert werden.

"Wem gehört die Welt? Es wird eng": So lautet der Titel eines Gemäldes von Andreas Feiber, das in Nandlstadt zu sehen ist. (Foto: privat)

Der Erfinder Kusakabe, der gern gesehener Gast im Hause Grottenthaler ist, leitet die Kurse. Denn der international bekannte Künstler gibt gerne seine Erkenntnisse und Techniken weiter, ganz untypisch für einen japanischen Keramikmeister. In seiner Heimat würden normalerweise die Arbeitsweisen der dort hoch angesehenen Kunstform eifersüchtig geheim gehalten, erzählt Kusakabe. Von der Katastrophe in Fukushima, seiner Geburtsstadt und Heimat, sei er tief betroffen gewesen.

Auch die befreundete Figurinen-Künstlerin Teiko Abe, die ebenfalls in Nandlstadt ausstellt und damit zum ersten Mal in Deutschland, setzt sich in ihrer Arbeit mit dem Unglück auseinander. Durch ihre detailverliebten Figuren kann sie Gefühle zum Ausdruck bringen und hält in Momentaufnahmen ihre Botschaft an die Menschheit fest. Die renommierte Künstlerin möchte so zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Umgang mit der Umwelt anregen, aber auch Hoffnung auf eine Wiedergeburt ihres Landes geben.

Weniger um ein Thema, als um die Darstellung von Räumlichkeit und Dynamik geht es in Andreas Feibers Bildern und Skulpturen. Er lebt als Kunstlehrer und freischaffender Künstler in München und hat sich zum Ziel gesetzt "lebendig und unmittelbare" Figuren zu schaffen, wie er selber sagt. Die "pralle Lebenslust" einer auf der Ausstellung zu sehenden Büste eines schmunzelnden Mannes scheint da bisweilen wie die eines echten Menschen. Auch auf Leinwände bannt er das Dreidimensionale und erwirkt mit dynamischen Pinselstrichen und reichen Farben eine tiefe Räumlichkeit.

Diese Figur von Teiko Abe ist in der Nandlstädter Ausstellung "Figur-Kunst-Keramik" zu sehen. Die Japanerin stellt zum ersten Mal in Deutschland aus. (Foto: privat)

Genauso lebendig sind die Werke von Carlo Wenger, der als "Tonmeister" unter anderem ganze Opernszenen als Wandrelief festhält. Mitunter tummeln sich griechische Fabelwesen und menschenähnliche Tiere auf seinen Kunstwerken. Der 84-Jährige hat noch immer den Schalk im Nacken und bringt selbst bei seinen Ausstellungsstücken für den Garten "ironische Seiten" hervor. Seit ein paar Jahren benutzt er für seine Keramik den Nandlstädter Sasukenei-Brandofen.

Auch der Künstler des erstarrten Pianisten wird seine Werke bei FKK präsentieren. Der Bildhauer Ivan Klapez lebt und arbeitet in London und sucht seine künstlerische Inspiration im Menschen. Um dessen vielfältige Formen festhalten zu können, nutzt er verschiedenste Materialien wie Ton, Gips, Bronze, Stein oder Holz und erwirkt dadurch mal glänzend glatte, mal verlaufene und raue Oberflächen.

Die Ausstellung der sechs Künstler wird am Freitag, 10 Juli, um 18 Uhr eröffnet und dann täglich von 11 bis 20 Uhr zu sehen sein. Am 11. und 12. Juli veranstaltet Masakazu Kusakabe zwei Tagesworkshops, an denen die Teilnehmer japanische Teeschalen ohne Drehscheibe herstellen dürfen. Diese Werke sollen dann von Mittwoch, 15. Juli, an sehr vorsichtig in den Ofen eingeräumt werden. Rotraut Grottenthaler erklärt dies als "äußerst diffizile Arbeit", zu der Schüler der Keramikschule Landshut zu Gast sein werden. Tag und Nacht wird der Brand dann bewacht, immer wieder auf seine Temperatur hin kontrolliert und erst am Samstag, 25. Juli, ausgeräumt. Einzigartige Gefäße mit durch Flammen und Hitze fantasievoll gebackenen Farben und Oberflächenstrukturen sind das Ergebnis. Das Ergebnis einer bemerkenswerten Reise der hohen japanischen Keramikkunst ins kleine Nandlstadt.

© SZ vom 11.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: