Nachbarschaftsstreit in Freising:"Das kostet Zeit und Geld"

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Ein Verfahren wegen Beleidigung ist von der zuständigen Richterin eingestellt worden. Sie mahnte die Streithähne zur Besonnenheit.

Peter Becker

Streit mit den Nachbarn kann zermürbend sein. Darum ist es einer Frau nicht zu verdenken, wenn sie ihren Mann dazu drängt, das Haus im Gewerbegebiet Gute Änger in Freising zu verkaufen. "Sie ist schon ganz mit den Nerven runter", sagt der 57-Jährige zu Richterin Claudia Saponjic. Er selbst muss sich wegen Beleidigung und falscher Verdächtigung vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten. Anlass dazu war ein Streit ums Schneeräumen gewesen. Richterin Claudia Saponjic stellt das Verfahren gegen den Beschuldigten ein und ruft die Streithähne zur Besonnenheit auf. Sie sollten sich aus dem Weg gehen und sich nicht gegenseitig anzeigen. "Das kostet Zeit und Geld", so die Strafrichterin.

Ein Streit unter Nachbarn ist zermürbend. Oft entbrennen leidenschaftliche Auseinandersetzungen schon wegen Kleinigkeiten.  (Foto: dpa)

Der Anlass des Streits war nichtig. Der Beschuldigte räumte Schnee aus seiner Einfahrt. "So wie ich das seit 25 Jahren tue", erklärt er vor Gericht. Er schaufelte den Schnee auf einen Haufen, der sich just hinter dem Auto des Schwiegersohns seines Nachbarn befand. Der Schwiegersohn hatte das vom Frühstückstisch aus mitverfolgt. Er lief aus dem Haus und schnappte sich seinerseits eine Schneeschaufel. Auf weniger als einen Meter habe er sich ihm genähert und dabei mit der Schaufel gefuchtelt, erzählt der Angeklagte. "Da habe ich mich zurückgezogen, um die Sache nicht weiter eskalieren zu lassen." Der Rückzug soll allerdings mit wüsten Beleidigungen gegen den Nachbarn, der mittlerweile auch erschienen war, geschehen sein. Dieser erstattete jedenfalls aus diesem Grund Anzeige.

Im Haus angekommen, habe ihm seine Frau gleich das Telefon gereicht, damit er die Polizei anrufen könne, schildert der Angeklagte weiter. Das habe er auch getan. Zwei Polizisten erschienen, um nach dem Rechten zu sehen. Einer der beiden ist als Zeuge vor Gericht erschienen. "Er hat gesagt, er habe Angst gehabt, dass ihm der Schwiegersohn mit der Schneeschaufel den Kopf einschlägt", erinnert sich der Polizist. Daraus wiederum entstand eine Anzeige wegen Nötigung gegen den vermeintlichen Angreifer. Das Verfahren sei mittlerweile eingestellt, verrät die Richterin.

Als Konsequenz daraus ergab sich wiederum eine Anzeige gegen den 57-Jährigen, weil er den Schwiegersohn offenbar zu Unrecht beschuldigt habe. Die Staatsanwältin sieht dafür aber keine Grundlage: Der Angeklagte habe die Situation eben als bedrohlich eingeschätzt. Dies sei in diesem Augenblick sein subjektives Empfinden gewesen. Die Aussage des Polizisten bringt weitere Details des schon lange schwelenden Konflikts zu Tage. Auf Nachfrage der Richterin sagt der Beamte nämlich, er sei zufällig im Dienst gewesen als der Nachbar des Angeklagten auf der Wache erschien und sich über diesen beschwerte. Er ärgere die Leute mit Kleinigkeiten, in dem er sein Auto so parke, dass es die Zufahrt in die schmale Straße blockiere. Außerdem stand er im Verdacht, Autos zerkratzt zu haben.

"Sie sind also immer der Buhmann"

"Sie sind also immer der Buhmann", sagt Richterin Claudia Saponjic zum Angeklagten. Der sagt, dass er mit niemanden von den angrenzenden Häusern Streit habe, außer eben mit seinem Nachbarn. Irgendwer habe sogar sein Haus mit Eiern beworfen. Die Nachbarn sprechen von seiner Frau geringschätzig als "Ausländerin". Der Angeklagte erzählt, sein Nachbar habe gesagt: "Erst lässt man sie nach Deutschland hinein und dann hat man den Dreck." Ein Satz, der irrwitzig ist, weil nämlich dessen Schwiegersohn selbst "Ausländer" ist.

Richterin Claudia Saponjic stellt das Verfahren schließlich ein und ruft die beteiligten Parteien zur Zurückhaltung auf. Als die Zeugen den Gerichtssaal verlassen, kommt es noch zu einem kleinen Zwischenfall. Als die Nachbarin an der Frau des Angeklagten vorbeigeht, stolpert sie über deren ausgestreckten Fuß. "Das ist aber nett", faucht sie. "Jetzt stellt sie mir auch noch ein Bein!"

© SZ vom 10.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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