Nach zwei Jahren ist Schluss:Zu viele Steine im Weg

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Knapp jeder zehnte Pflegehaushalt in Deutschland hat rund um die Uhr eine Hilfskraft in der Wohnung. (Foto: Bodo Marks/dpa)

Der Echinger KR-Pflegedienst gibt zum 15. Dezember auf. Kleinere, private Unternehmen in der Altenpflege brauchen in der Regel einen langen Atem und haben oft mit Finanzierungs- und Personalproblemen zu kämpfen

Von Simon Bauer, Freising

"Wir sind jetzt definitiv weg vom Fenster. Uns wurden einfach zu viele Steine in den Weg gelegt", kommentiert Nadine Kühnle, Leiterin des Echinger KR-Pflegedienstes, merklich frustriert das bevorstehende Aus ihres ambulanten Services. Am 15. Dezember wird Kühnle den Betrieb ihrer Einrichtung endgültig einstellen. 22 alte Menschen aus Eching und Umgebung verlieren damit eine wichtige soziale Kontaktstelle. Die Klienten hätten mittlerweile zum Großteil bei einer anderen mobilen Pflegedienststelle in Eching untergebracht werden können, berichtet Kühnle. "Einige wenige unserer Kunden stehen noch aus, doch sie suchen sich ihre neuen Plätze sowieso selbst." Nach zwei Jahren, in denen die 28-Jährige mit Unterstützung ihrer Familie selbständig als Altenpflegerin tätig war, hat sie jetzt die Notbremse gezogen.

Denn die mobile Altenpfleger kann ein ziemlich undankbarer Beruf sein, das zeigen Gespräche mit verschiedenen Anbietern. Die Mitarbeiter leisten viel, sie fahren zu angemeldeten Klienten nach Hause, betreuen und pflegen sie und ersparen ihnen so den Umzug in ein Pflegeheim. So werden ältere Menschen nicht aus ihrem vertrauten sozialen Umfeld gerissen. "Die knappe Vergütung ist dabei der problematischste Baustein", betont Regina Simnacher vom Caritas-Zentrum Freising. Dies gilt besonders für private Pflegeeinrichtungen, die nicht von Wohlfahrtsverbänden, Vereinen, Sozialstationen oder Stiftungen betrieben werden, wie im Fall des KR-Pflegedienstes. Die Vergütung jeder Einzelleistung ist festgelegt, so gibt es etwa 37 Euro für ein Erstgespräch mit einem neuen Klienten, 4,20 Euro als Wegpauschale und 14,05 Euro für eine Ganzkörperwäsche. Für den Fall, dass ein Klient durch einen Krankenhausbesuch ausfällt, bekommen die zuständigen Pfleger von den Krankenkassen keine Pauschalen mehr - sie müssen allerdings trotzdem weiter bezahlt werden. Auch im Bereich der Personalabdeckung zeigt sich, wie schwierig das Geschäft ist. Man müsse ausbalancieren, sagt Regina Simnacher. Gerade personaltechnisch seien selten genügend Angestellte verfügbar, hinzu kämen krankheitsbedingte Ausfälle. Nicht immer sei genügend Personal da, um diese Lücke füllen zu können. Dies zeigte sich zuletzt an dem Echinger Beispiel.

Laut Eva Dörpinghaus, Pressesprecherin im Landratsamt, gibt es im Landkreis derzeit 16 ambulante Pflegedienste, davon neun private ohne Verband in der Hinterhand. Bei dieser Zahl ist der KR-Pflegedienst in Eching schon herausgerechnet. Hinzu kommen dürften jedoch zusätzlich Pflegedienste, die ihren Sitz außerhalb des Landkreises Freising haben und trotzdem hier tätig sind.

Brigitte Rieß, Pflegedienstleiterin bei der Arbeiterwohlfahrt Freising, hat bei der Organisation derzeit keine Probleme. "Natürlich sind die schlechte Bezahlung und der Personalmangel in diesem Berufsfeld immer vorhanden", schildert sie. "Aber wir haben ein Team, das schon seit langer Zeit zusammenarbeitet, und somit eine hohe Fachkraftquote. Bei uns wird es erst zum Problem, wenn jemand in Rente geht." Die Arbeiterwohlfahrt besteht seit 1986, ist unabhängig und hat aktuell 15 Mitarbeiter.

Des Weiteren betonte sie, dass es zu einem Fall wie dem des KR-Pflegedienstes in Eching hauptsächlich bei privaten Stellen kommen könne. "Es dauert immer zwei bis drei Jahre, bis man sich als neue ambulante Pflegestelle etablieren und bekannt machen kann. Dafür haben die privaten Stellen oft genügend Kunden, aber zu wenig Personal zur Verfügung. Das ist harte Arbeit." Doch es müsse unbedingt private Dienste geben und man sollte diese auch in jedem Fall dabei unterstützen, bekannter zu werden. So würde die Arbeiterwohlfahrt neuen Kunden empfehlen, falls alle Plätze belegt sein sollten, sich nach einem kleineren privaten Pflegedienst umzusehen, sagt Brigitte Rieß. Durch die Einführung der Gesundheitsregion Plus im Landkreis erhofft sie sich eine Verbesserung. "Der Beruf soll so für die Leute attraktiver gemacht werden", betont sie.

Doch ist es überhaupt empfehlenswert, sich im Alter auf einen mobilen Pflegedienst zu verlassen und nicht in ein Heim zu ziehen? Für Regina Simnacher ist das eine individuelle Frage und für jeden Menschen anders zu beantworten. Ein Vorteil sei, dass man sein vertrautes Wohngebiet und die sozialen Kontakte nicht hinter sich lassen muss. Andererseits sei es in vielen Fällen grenzwertig, besonders wenn die betroffene Person alleine lebe. Diese Frage müsse man schlichtweg nach dem Gesundheitszustand der jeweiligen Person beurteilen.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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