Mitten in Freising:Am Schluss sind alle erleichtert

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Es gibt viele Gründe für die historische Bedeutung des Oktogons

Von Alexander Kappen

Die Geschichte der Toilette in Europa ist durchaus eine sehr interessante. Ihr ist sogar eine eigene Seite im Internet gewidmet, die unter der treffenden, wenn auch etwas unfein klingenden Adresse www.scheisse-museum.de zu erreichen ist. Dort erfährt man dann etwas über die öffentlichen Toiletten der Antike wie die bekannte Cloaca Maxima in Rom. Oder über Abort-Erker an mittelalterlichen Gebäuden, deren praktische Fallschächte ins Freie führten, wobei diese Erker - was für Passanten eher weniger praktisch war - sich gelegentlich über Gassen befanden.

Aber es wurde ja alles besser, als Sir John Harrington 1596 in seinem Haus im englischen Kent das erste Wasserklosett (WC) inklusive Spülkasten und Ventil eingebaut haben soll. Als eigentlicher Erfinder des Wasserklosetts gilt jedoch der Londoner Uhrmacher, Mathematiker und Mechaniker Alexander Cumming. Der entwickelte Harringtons Klosett weiter und versah es zur Eindämmung des Geruchs mit einem S-förmigen Abflussrohr, das bis heute verwendet wird und als Siphon geläufig ist. 1775 erhielt Cumming für seine Entwicklung das Patent.

Die erste Toilette aus Keramik, so ist zu lesen, wurde 1870 von Thomas William Twyford of Hanley entwickelt. Das war übrigens das Jahr, als in Freising das Knabenseminar auf dem Domberg gebaut wurde, in dem sich heute das Diözesanmuseum befindet. Die Toiletten des Seminars lagerte man 1876 in einen turmförmigen, als Oktogon bekannten Anbau aus. In einschlägigen Portalen zur Geschichte der europäischen Toilette taucht das Oktogon allerdings nicht auf. Ob seine relative Bedeutungslosigkeit im Kontext der internationalen Toiletten-Geschichtsschreibung ausschlaggebend dafür war, dass der Denkmalschutz den Turm als nicht erhaltenswert einstuft und beim anstehenden Umbau des Diözesanmuseums zum Abriss freigeben will?

Wie auch immer. An diesem Donnerstag um 19 Uhr entscheidet der Stadtrat nach wochenlangem Hickhack über das Schicksal des Oktogons. Und egal, ob man dieses nun als stadtbildprägendes Kulturgut ansieht oder es despektierlich als Kloturm bezeichnet: Wenn die Entscheidung endlich gefallen ist, haben . . . äh fühlen sich alle erleichtert.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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