Mitten im Stadion:Fachmesse für Rumpelfüßler

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DieFußball-Landkreis-Derbys sind auch nicht mehr das wahre. Aber auch die Gerd Müllers von heute versprechen mehr, als sie halten

Von Alexander Kappen

Was war das für ein aufreibendes Fußball-Landkreis-Derby. Der TSV Eching führte vor der stattlichen Kulisse von 650 Zuschauern mit 2:0 und 3:1, ehe der SE Freising zur Aufholjagd blies und mit einem Treffer in der zweiten Minute der Nachspielzeit noch den 3:3-Endstand herstellte. Ja, ja, so war das tatsächlich mal. Ist kaum zu glauben und lange her. Sieben Jahre, um genau zu sein. Damals stürmte noch ein gewisser Stefan Lex für den SEF, der inzwischen für den Bundesliga-Aufsteiger FC Ingolstadt auf Torejagd geht. Doch der Glanz des höherklassigen Landkreis-Fußballs ist merklich verblasst.

Während sich Lex vergangenes Wochenende - wenn auch mäßig erfolgreich - mit Dortmunds Weltmeister Mats Hummels messen durfte, quälte sich sein Ex-Verein in der Landesliga zu einem gähnenden 1:1 gegen Eching. Was 2008 in der Presse noch als "packendes Derby" firmierte, heißt heute: "Das schwächstes Spiel, das ich je von meiner Mannschaft gesehen habe" (SEF-Trainer Michael Schütz) oder schlicht "Grottenkick" (Abteilungsleiter Georg Appel). Nun gut, auch heutzutage ist natürlich nicht jedes Derby eine lokale Fachmesse für Rumpelfüßler, so wie das Spiel am Samstag. Und auch das 2008er-Landkreis-Duell war laut Archiv nur "phasenweise auf hohem Niveau" und offenbarte zudem "teils haarsträubende Abwehrfehler". Aber damals gab es wenigstens noch Angreifer, die auch ohne Navigationssystem wussten, wo die Kiste steht und es verstanden, aus diesen defensiven Tölpeleien ein Tor-Spektakel zu generieren. Und es gab noch genügend Leute, die sich das Gerumpel persönlich im Stadion zu Gemüte führen wollten. Vergangenen Samstag pilgerten nur noch an die 200 Katastrophentouristen ins Willi-Widhopf-Stadion, um Augenzeugen der gesammelten fußballerischen Grausamkeiten zu werden. Zum Vergleich: Den Kreisklassen-Kick eine Woche zuvor zwischen Mauern und Hörgertshausen wollten 300 Leute sehen - und bekamen beim 7:1-Erfolg der Gastgeber Tore in rauen Mengen geliefert.

Während die Amateurfußball-Welt am Land noch in Ordnung ist, kann man in der Stadt nun wenigstens auf ein bisserl Inspiration aus der guten alten Zeit des Profifußballs hoffen. Gerd Müller kommt am Montag nach Freising. Der Bomber der Nation, der mehr Bundesligatore geschossen hat als die Fußballer aus Eching und Freising in allen Derbys der nächsten 170 Jahre erzielen werden und der Oberschenkel hatte, die so dick waren wie die der gesamten SEF-Viererkette zusammen. Der, der einst angriffslustig trällerte: "Dann macht es bumm und dann kracht's" . . . halt, nein, was steht da in der Meldung? Es ist der gleichnamige Bundesentwicklungsminister, der da am Montag zum Bürgerdialog bittet. Oh mei, nicht mal die Müller Gerds sind mehr das, was sie mal waren.

© SZ vom 27.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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