Mitten im Landkreis:Papierdeutsch für Fortgeschrittene

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Schicken Behörden eine Mitteilung, ist meist Experten-Wissen gefragt - und selbst das hilft nicht immer

Kolumne von Alexander Kappen

Man kann es nennen, wie man möchte. Amtsdeutsch, Beamtendeutsch, Verwaltungssprache, Behördensprache, Beamtisch oder gerne auch Papierdeutsch. Fakt ist, dass die einen in einem formellen Schreiben unbedingt was ganz Wichtiges mitteilen wollen, was die anderen vor dem Lesen des Schriftstücks nicht wussten - und hinterher im allerbesten, allerdings nicht sehr realistischen Fall höchstens erahnen können.

Amtsdeutsch, so heißt es in einer Definition, ist eine "gespreizte, umständliche, unanschauliche Ausdrucksweise, wie sie oft formelhaft in Ämtern verwendet wird". Diese sei "meist unverständlich und macht den Behördentext für durchschnittliche Leser intransparent". Wenn diese durchschnittlichen Leser dann alle in einem Büro sitzen, kursieren im Kollegenkreis schon mal verzweifelte Hilfegesuche. Rundmails mit der Bitte, dass derjenige doch vorsichtig die Hand heben möge, der sich anmaße, den Inhalt des vorliegenden Textes ansatzweise begriffen zu haben und für Normalsterbliche übersetzen zu können. Und dann hangelt man sich von Halbexperten über Semi-Experten zu Experten durch, die ihr Expertenwissen "so fifty-fifty" einschätzen. Mit vereinten Kräften bekommt man manchmal wenigstens eine vage Idee davon, was gemeint sein könnte, falls nicht doch alles ganz anders ist.

Ist aber auch nicht so einfach. Wenn etwa eine Freisinger Behörde von "Böschungskörper", "Böschungsfuß" und "Böschungsschulter" schreibt, dann hält das der durchschnittliche Leser unter Umständen erst mal für das Begleitheft zur Wanderausstellung "Körperwelten" oder die Feiertagsangebote von der Metzgerei nebenan und nicht für den Sachstandsbericht zu einer Straßensanierung. Wenn man das dann aber mal weiß und den Text unter diesem Aspekt sorgfältig durchliest, dann versteht man, worum es geht. Also vielleicht. Zumindest halb. Oder auch nur so fifty-fifty . . .

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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