Wer Stricken verächtlich als Old School abtut, als antiquierten Zeitvertreib, mit dem man heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt, der wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Claudia Weber, eine 55-jährige Pendlerin aus Moosburg, hat im vergangenen Jahr fleißig gestrickt - und wurde damit jetzt zum internationalen Medienstar. Ihren sogenannten "Verspätungsschal", mit dem sie Verzögerungen im Bahnverkehr mit bunter Wolle dokumentiert, hat sie auf Ebay für einen guten Zweck versteigert. Mit der Auktion, die am Montagabend endete, erlöste sie 7550 Euro. Das Thema mischte nicht nur die sozialen Netzwerke auf, sondern weckte auch das rege Interesse von Medienschaffenden im In- und Ausland.
Das Prinzip war ebenso einfach wie genial: Je nach Dauer der Verspätung gab es einen Streifen in einer anderen Farbe. Grau für leichte Verspätungen. Rosa ab fünf Minuten. Rot, wenn's länger als eine halbe Stunde dauerte. Eine nette Idee, die sich in abgewandelter Form sicher auch auf diverse Bauvorhaben im Landkreis übertragen lässt. Man gehe also in den gut sortierten Wollfachhandel und decke sich mit ausreichend Farben ein, nehme die Stricknadeln zur Hand - und los geht's: grau für jedes Milliönchen, das die Freisinger Westtangente mehr kostet. Rosa für jeden Parkplatz, der beim Umbau des Moosburger "Plan" gestrichen wird. Rot für jeden Springbrunnen, der dafür auf dem Platz errichtet wird. Blau für jede Woche, um die sich die Eröffnung des neuen Freisinger Erlebnisbads "Fresch" nach hinten verschiebt. Grün für jeden zusätzlichen Tag, an dem die Staatsstraße am Ligeterberg in Volkmannsdorf wegen einer nicht sicheren Böschung halbseitig gesperrt ist. Schwarz für jede Preissteigerung beim Umbau des Echinger Rathauses, weil mal wieder eine der ausführenden Firmen unbemerkt von einer anderen übernommen worden ist.
Könnte eine bunte Angelegenheit werden. Und eine lange. Mit den überschaubaren 1,50 Meter, die der Bahn-Verspätungsschal misst, wird man hier jedenfalls nicht weit kommen ...