Mitten  im Flughafen:Sprengstoff im Hüftbereich

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Wer heute eine Reise tut, erlebt das erste Abenteuer schon bei der Sicherheitskontrolle

Kolumne von Sabine Wejsada

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Das hat schon der deutsche Dichter Matthias Claudius getan. Und man kann es sich vorstellen, dass seinerzeit das Fahren in fremde Länder ein wirkliches Abenteuer war. Claudius lebte übrigens im 18. Jahrhundert - und es ist davon auszugehen, dass das Reisen damals noch eine ganz andere Angelegenheit war als heute. Meist ging es per Postkutsche von A nach B. Der Weg barg Gefahren, fremde Länder schienen unerreichbar weit entfernt.

Heute ist das alles ganz anders. Risiken gibt es zwar immer noch, natürlich. Aber meist, vor allem als Teilnehmer einer Pauschalreise, sagen wir auf die Kanarischen Inseln, muss kaum einer noch befürchten, auf dem Trip dorthin von dunklen Gesellen in eine Falle gelockt und gemeuchelt zu werden. Doch auch in modernen Zeiten, wo das Flugticket im Smartphone wohnt und am Check-in, wenn überhaupt, nur noch der Pass vorgelegt werden muss, kann das erste Abenteuer schon an der Sicherheitskontrolle am Flughafen im Erdinger Moos auf einen warten.

Alles auspacken, Gürtel runter, Hosentaschen leeren, Jacke und Schuhe aus, ab durch den Scanner-Bogen zur Köpervisitation mit dem lupenähnlichen Ich-seh-alles-Gerät. Das natürlich anschlägt, weil der Hosenknopf aus Metall. Die Frau vom Sicherheitspersonal schaut dennoch streng, sehr streng - und bittet zum Vier-Augen-Gespräch mitten im Getümmel von gefühlt tausend Mitreisenden. Dieses Tete-à-Tete findet gleich neben einem interessant anmutenden Apparat statt. Die Mitarbeiterin rupft aus dem Automaten ein pflasterähnliches Etikett und bittet um das Freimachen von Handflächen und Unterarmen. Dann fährt sie damit die Haut ab. Fragen, wozu das gut sein soll, werden nur mehr oder weniger einsilbig beantwortet. "Sprengstoffspurentest", sagt sie bestimmt und holt ein neues Pflaster, um auch noch den Hüftbereich einmal rundherum zu untersuchen. Was? "Ja, das ist eine Stichprobe", sagt sie ungerührt und legt das Etikett zur Prüfung auf den Automaten. Nichts piept, aber alle anderen Passagiere schauen äußerst interessiert, was echt toll ist. Und auch der Reisebegleiter im Teenager-Alter kann es nicht fassen, schluckt jedoch mögliche hormongesteuerten Bewertungen des Geschehens im Hinblick auf den Ernst der Lage hinunter. "Alles okay mit Ihnen", sagt die gestrenge Kontrolleurin und nimmt sich den nächsten Verdächtigen vor. Der Urlaub kann beginnen. Die Worte von Matthias Claudius aber müssen dringend aktualisiert werden: Wer eine Reise antreten will, hat wirklich was zu erzählen. Ach ja, die Tage auf der Insel waren wirklich schön. Ganz ohne besondere Vorkommnisse.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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