Mittagsbetreuung im Rathaus:Geborgenheit in der Amtsstube

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In den Räumen des Haager Rathauses tummeln sich täglich 60 Schulkinder. Sie können dort toben und werden bei den Hausaufgaben unterstützt - oder einfach mal in den Arm genommen

Von Katharina Aurich, Haag

Das Haager Rathaus am Dorfplatz ist mittlerweile mehr als nur ein Rathaus. Von 11.30 Uhr an werden die Flure und fast alle Räume neuerdings von einer Kinderschar bevölkert, die hier spielt, lernt und isst. 60 Schulkinder sind in der Mittagsbetreuung der Gemeinde inzwischen angemeldet, "Tendenz steigend", berichtet Leiterin Eva Gampert. Da die Verwaltung, mit Ausnahme von Bürgermeister und Sekretariat, mittlerweile in Zolling angesiedelt ist, hat der Nachwuchs im Haager Rathaus genügend Platz. Wobei: "Mehr Kinder dürfen es nicht mehr werden, dann wird auch das Rathaus zu klein", sagt Gampert.

Die Leiterin arbeitet seit zehn Jahren in der Mittagsbetreuung und hat selbst drei Kinder groß gezogen. Alle fünf Betreuerinnen, die in Teilzeit oder auf 450-Euro-Basis beschäftigt sind, haben eigene Kinder. Gampert findet, dass Wichtigste sei die Liebe, Geborgenheit und Aufmerksamkeit, die die Kinder in der Mittagsbetreuung bekämen. Aber es müssten auch Grenzen gesetzt werden. Manche Kinder seien dies von zu Hause nicht gewöhnt und testeten, wie weit sie gehen könnten. Zum Hausaufgabenmachen wird jedoch kein Kind gezwungen.

Es ist nicht das drin, was drauf steht - echte Monster wurden in der Haager Mittagsbetreuung jedenfalls noch nicht gesichtet. (Foto: Lukas Barth)

Erstklässler Gustav geht mit seinen Freunden nach Schulschluss schnurstracks zum Kicker. Dann seien meistens die Hausaufgaben dran, erzählt er. Im ersten Stock sind dafür drei Räume reserviert, in denen es ruhig ist und jeweils zwei Betreuerinnen zwischen sechs und acht Kinder beim Schreiben und Rechnen unterstützen. Sind die "Hausis" erledigt, spielt Gustav am liebsten in der Lego-Ecke. Die drei Freundinnen Lea, Lara und Emilia aus der zweiten Klasse machen zu allererst ihre Hausaufgaben, dann spielen sie "das verrückte Labyrinth". Wenn es regnet und sie nicht draußen toben können, bauen sie im Rathauskeller Höhlen. Manchmal basteln sie auch lieber mit einer der Betreuerinnen, bis sie um 15.30 Uhr abgeholt werden oder selbst nach Hause gehen.

In der Mittagsbetreuung gibt es auch Essen, das vom Seniorenheim in Zolling geliefert wird. Die Betreuerinnen sind oft mit der Qualität nicht zufrieden, es schmecke nicht, finden sie. Viel lieber wäre ihnen ein Essen, das frisch in der professionell eingerichteten Küche der Mehrzweckhalle neben dem Rathaus gekocht wird. Mit den Kindergartenkindern, die auch das Essen aus den Thermogefäßen erhalten, wären es sicher täglich 80 Kinder, für die gekocht werden könnte, aber das sei wohl ein Traum, sagt Eva Gampert.

Die Betreuerinnen helfen den Kindern beim Schreiben und Rechnen, basteln mit ihnen oder hören sich ihre Sorgen an. (Foto: Lukas Barth)

Was ihre Arbeit angeht, sei das Wichtigste, Ruhe und Entspannung zu vermitteln. Man merke den Kindern immer an, wenn etwas bei ihnen nicht stimme, wenn es zu Hause Ärger gebe oder sich zum Beispiel die Eltern trennten. In der Mittagsbetreuung erzählen die Kinder von ihren Sorgen. In solchen Fällen wünscht sich Gampert manchmal eine ausgebildete Fachkraft in der Mittagsbetreuung. Diese hätte rechtliches Knowhow und könne auf auffällige Kinder richtig reagieren. Außerdem werde man von den Mitarbeitern des Jugendamtes "nur" als Mutter oft nicht ernst genommen, so ihre Erfahrung. Immerhin besuchen die fünf Mitarbeiterinnen regelmäßig Supervisionen, um Probleme zu besprechen und sich weiterzubilden. Die Gemeinde würde gerne eine ausgebildete Erzieherin oder Sozialpädagogin einstellen, aber es findet sich niemand.

Die Kommune subventioniert die Mittagsbetreuung im diesem Jahr mit 33 000 Euro, weiterhin fließen staatliche Zuschüsse und Elternbeiträge, um das Personal zu finanzieren. Die Räume im Rathaus stellt die Gemeinde ebenfalls zur Verfügung, schildert Bürgermeister Anton Geier die Rahmenbedingungen. Die tägliche Betreuung bis 15.30 Uhr samt Mittagessen kostet im Monat 300 Euro, allerdings würden Alleinerziehende bezuschusst. Eva Gampert fürchtet, dass in Familien mit niedrigem Einkommen die Kinder oftmals den Nachmittag alleine zu Hause verbringen müssen, um diese Kosten zu sparen. Sie plädiert dafür, die Mittagsbetreuung kostenlos anzubieten. Nur wer übernimmt dann die Kosten? Die jetzige Form der Betreuung sei keine endgültige Lösung, sagt Geier. Vermutlich werde in absehbarer Zeit die Ganztagsschule eingerichtet, denkbar sei auch, einen Hort aufzubauen, aber mit staatlichen Mitteln und nicht mit Geld aus dem Topf der Gemeinde. Im Moment sei er froh, dass die 60 Schulkinder gut versorgt sind.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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