Minister im Dialog:Begegnung auf Augenhöhe

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Ein Minister zum Anfassen: Gerd Müller im Kardinal-Döpfner-Haus. (Foto: Toni Heigl)

Diskussion mit Gerd Müller: Freisinger fordern Bürokratie-Abbau im Umgang mit Flüchtlingen

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Wann sieht man schon mal den Gerd Müller leibhaftig, mögen sich etliche der rund 50 Teilnehmer des Bürgerdialogs "Bewusst leben - nachhaltiger Konsum" und die "Bewältigung der globalen Flüchtlingskrise", gedacht haben. Ein Dialog, der von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Doch man darf sicher sein, dass alle wussten, welcher Gerd Müller dazu nach Freising auf den Domberg kommt: der Bundesentwicklungsminister, nicht der "Bomber der Nation" vom FC Bayern. Doch "bei dem wären wir auch gekommen", war von so manchem Freisinger zu hören.

Müller zeigte sich von seiner besten Seite, hemdsärmlich (unter dem Dach des Kardinal-Döpfner-Hauses war es am späten Montagnachmittag ordentlich warm), zuvorkommend, jovial und tatsächlich zum Anfassen, da es sich beim Bürgerdialog eher um den Dialog der Bürger untereinender handelt. Denn Ziel des Projekts sei, so Müller, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, von den Freisingern und den Bürgern in zahlreichen anderen, gleichen Veranstaltungen in Deutschland zu erfahren, was sie bei verschiedenen Themen für wichtig erachten, wie sie die Dinge anpacken würden. Und deshalb gab es zu jedem Thema mehrere Tische mit jeweils rund acht Diskutanten. Müller hatte in der Stunde freier Diskussion eigentlich vor, alle zu besuchen, schaffte am Ende aber nur drei, was daran lag, dass er stets schnell mitten in der Debatte war und am Schluss feststellen musste: "Der Freisinger ist aufgeschlossener als der Allgäuer". Der Bundesentwicklungsminister stammt nämlich aus Oberstdorf. Aber nicht nur deshalb sei Freising einer der "besten Plätze zum Leben".

Gerd Müller wusste dies zu belegen - indem er ganz einfach Vergleiche zu den Lebenssituationen für Menschen in anderen Ländern zog. "Über frisches Wasser, Toiletten, Abfallbeseitigung müssen wir uns keine Gedanken machen. Unsere Infrastruktur ist top, sie ist in der Welt nicht zu toppen." In Deutschland lebe man "auf der Sonnenseite des Planeten" und in Freising ("eine der schönsten Regionen der Welt") sowieso, zumal bei einer Arbeitslosigkeit, bei der man von Vollbeschäftigung spreche. "Freising gehört zu den Top Drei beim Arbeitsmarkt in Deutschland. Und damit zu den Top Drei in der Welt", sagte Müller. Die Realität für viele Menschen sehe anders aus, wie er selber bei seinen Reisen feststellen habe müssen. In fast allen afrikanischen Ländern habe eine Mehrheit der Bevölkerung keinen Job. Deutschland sei stark und trage deshalb auch Verantwortung für den Schwachen, besonders für die Regionen in der Welt,in der die Menschen wegen der Krisen keine Chance haben, "sich Wohlstand zu erarbeiten". Die Menschenwürde sei aber überall gleich und dazu gehöre auch Essen und Trinken beispielsweise. Er forderte die Dialogteilnehmer dazu auf: "Lasst uns mehr Offenheit zeigen" und die Flüchtlinge "an unserem Leben teilhaben". Das derzeitige Flüchtlingsdrama sei eine "epochale Herausforderung", dabei würden 90 Prozent der Menschen, die auf der Flucht seien, im Umfeld der Krisenregionen bleiben. Eine Herausforderung auch für die Tausenden ehrenamtlichen Helfer, ohne die die Aufgabe nicht zu leisten sei.

An den Freisingern, die zum Bürgerdialog unter dem Motto "Gut leben in Deutschland - was uns wichtig ist in Zeiten globaler Verantwortung" auf Einladung des Freisinger CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer gekommen waren, soll es nicht scheitern. Sie diskutierten an ihren Tischen so sehr, dass Moderatorin Julia Kropf nach einer Stunde feststellen musste: "Die wollen ja gar nicht mehr auf hören, diese Bayern". Und statt der gewünschten zwei Punkte, die man nach Berlin mitgeben sollte, gab es an jedem Tisch gleich mehrere. Gewünscht wurden unter anderem mehr Transparenz, Begegnungen auf Augenhöhe, mehr Sprachkurse, weniger Bürokratie zum Beispiel bei der Suche nach Unterkünften (etwa beim Thema Brandschutz, Lockerung des Baurechts). Mehr finanzielle Hilfen für die Ehrenamtlichen, eine bessere Vernetzung mit Behörden und mehr Entwicklungshilfe, was Müller sofort unterstrich.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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