Mildes Urteil:Sexuelles Rollenspiel eskaliert unter Alkoholeinfluss

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31-Jähriger wird zu Bewährungsstrafe verurteilt - er zeigt sich reuig, mit seiner Partnerin hat er sich versöhnt

Von peter becker, Freising

Ein junges Paar aus dem Landkreis hatte Gefallen an sexuellen Rollenspielen gefunden, in denen es um Dominanz und Unterwerfung geht. Eines davon ist im Dezember des vergangenen Jahres eskaliert. Weil er sich selbst gedemütigt fühlte, überschritt ein heute 31-Jähriger gewisse Grenzen, als seine Lebensgefährtin gefesselt vor ihm lag. Das Freisinger Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Manfred Kastlmeier verurteilte ihn deshalb wegen Vergewaltigung sowie vorsätzlicher und gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten. Das milde Strafmaß, das nach einem Rechtsgespräch zustande kam, begründete der Vorsitzende Richter mit den besonderen Umständen des Vorfalls.

Der Angeklagte hatte sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin und einem befreundeten Paar zunächst bei einem Spieleabend vergnügt. Dabei sprach er reichlich dem Alkohol zu. Gerichtsmediziner attestierten ihm einen Wert von etwa 2,7 bis 3,2 Promille. Nachdem die Freunde die Wohnung verlassen hatten, entschieden sich der Angeklagte und seine Freundin für ein Rollenspiel. Dabei fesselte sie zunächst ihn. Mit den Worten, er schaue ungepflegt aus, soll sie ihm laut einem Gutachten die Finger- und Fußnägel geschnitten haben. Dies muss ihn wohl gekränkt haben. "Ich habe ihn gedemütigt", sagte die Lebensgefährtin als Zeugin vor Gericht. Wie sie bekundete, war die "blöde Idee" zu dem Rollenspiel von ihr ausgegangen.

Als sie an die Reihe kam, fesselte der Beschuldigte seine Freundin, steckte ihr einen Knebel in den Mund, den er mit dem Gürtel eines Bademantels befestigte. Offenbar unter dem Eindruck der selbst erlittenen Demütigung und aufgrund des Alkoholeinflusses reagierte der Beschuldigte nicht auf Gesten seiner Lebengefährtin, die das Rollenspiel abbrechen wollte. Im Gegenteil: Als die gemeinsame Tochter aufwachte und zu schreien begann, trug er seine Freundin ins Wohnzimmer und beruhigte das Kind. Anschließend trieb er trotz des stummen Protests der Frau das mittlerweile der Kontrolle entglittene Spiel weiter. Erst als er seiner Freundin die Nase zuhielt und diese eine Ohnmacht vortäuschte, ließ er von ihr ab.

Die Reue über das Geschehen folgte sogleich. Er rief selbst die Polizei an und schilderte das Geschehen. Die Gepeinigte zog mit der Tochter fürs erste zu ihren Eltern. Dann begannen die Versöhnung und die Aufarbeitung der Ereignisse. Der Beschuldigte stellte sich seinem Alkoholproblem. Als Bewährungsauflage muss er weiterhin eine ambulante Therapiegruppe besuchen. "Ich will mit meiner Familie weiter leben und die Beziehung normalisieren", bekundete der Mann. "Alkohol spielt keine Rolle mehr." Seine Freundin sagte: "Mit der Beziehung geht es bergauf." Sie selbst habe sich ebenfalls in Therapie begeben, weil sie bisweilen so aufbrausend sei. Ihr Freund sei dagegen "ruhig und anständig" und "so ein liebevoller Papa".

Richter Kastlmeier würdigte in seinem Urteil insbesondere das umfassende Geständnis des Angeklagten. Der Beschuldigte war im Übrigen der erste Täter, den er nach dem neuen Sexualstrafrecht verurteilte. Das war nach den Vorfällen in Köln verschärft worden. Seitdem ist es strafbar, wenn sich der Täter über den erkennbaren Willen des Opfers, seine sexuelle Selbstbestimmung zu wahren, hinwegsetzt. Dazu genügen Gesten. Vor der Reform des Sexualstrafrechts musste sich ein Opfer massiv wehren oder sein Leben musste in Gefahr sein.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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