Mieterhöhung vor Gericht:Unglücklicher Vergleich

Lesezeit: 2 min

Volker Zinkernagel fordert einen Mietspiegel für Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Wer in Freising den ortsüblichen Mietpreis bestimmen will, kann sich auf Beispiele vom Dachauer Wohnungsmarkt berufen

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Weil die Stadt Freising weiter um einen eigenen Mietspiegel ringt, muss der Wohnungsmarkt in Dachau immer öfter als Vergleichswert herhalten. Das Amtsgericht hat erst kürzlich einer Vermieterin recht gegeben - und zwar auf Basis des Dachauer Mietspiegels. Geklagt wurde gegen eine Mieterhöhungen. "Leider, leider passiert das in letzter Zeit immer häufiger", sagt Volker Zinkernagel, der Vorsitzende des Freisinger Mietervereins. Die Prozesse wegen Mieterhöhungen nähmen zu, auch, weil mittlerweile immer mehr Privatvermieter klagen würden. Eine Tendenz, die das Amtsgericht bestätigt. Dachau sei, so Zinkernagel, aber in seiner Grundstruktur, die höhere Mietpreise ermögliche, nicht vergleichbar mit Freising.

Die häufigen Prozesse zeigen seiner Meinung nach auch noch etwas anderes: "Wir brauchen einen eigenen Mietspiegel. Das predige ich den Stadträten immer wieder, aber leider kann man sich nicht entscheiden, das Geld dafür auszugeben. Dabei wäre das im Sinne aller, der Mieter, Vermieter und auch der Kommunen. Dann wüsste endlich jeder, über was man redet, wenn es um die ,ortsübliche' Vergleichsmiete geht."

Die Klägerin hatte sich nach Mitteilung von Manfred Kastlmeier, Richter am Amtsgericht und Stellvertretender Direktor des Amtsgerichts, bei ihrer Mieterhöhung auf den Mietspiegel der Stadt Dachau berufen, da für die Stadt Freising kein Mietspiegel besteht. Was rechtlich möglich sei, "zur Begründung eines Mieterhöhungsbegehrens". Denn ein Mietspiegel diene der Information des Mieters, ob die von ihm geforderte Miete ortsüblich sei und er dem "Mieterhöhungsverlangen" zustimmen wolle, so Kastlmeier. "Fehlt für die Gemeinde ein eigener Mietspiegel, so ist es nach Ansicht des Richters zulässig, zur Feststellung einer ortsüblichen Vergleichsmiete den Mietspiegel einer vergleichbaren Nachbargemeinde heranzuziehen. Voraussetzung ist jedoch, dass beide Gemeinden vergleichbar sind, was ihre wirtschaftliche, kulturelle und soziale Infrastruktur, die Anbindung an Versorgungszentren und der Grad der verkehrsrechtlichen Erschließung anbelangt. Das wurde vom Amtsgericht Freising für Dachau und Freising bejaht." Volker Zinkernagel sieht diese Vergleichbarkeit "definitiv nicht". Dachau liege viel näher an München, sei keine Universitätsstadt und auch von der wirtschaftlichen Struktur völlig anders. Die Mieten in Dachau lägen deshalb viel höher. Warum das Gericht Dachau als Maßstab nehme und nicht Erding, das ebenfalls einen Mietspiegel habe, sei ihm nicht klar. "Man müsste es auf einen Musterprozess ankommen lassen", sagt der Mietervereinsvorsitzende. Aber das koste Geld und der Ausgang sei ungewiss. Dass ein Musterprozess langwierig sein könnte, zeigt die Berufungsverhandlung im Freisinger Fall. Das zuständige Landgericht in Landshut teilt die Rechtsauffassung des Amtsgerichtes. Neben der geografischen Nähe im unmittelbaren Umgriff der Landeshauptstadt München seien die Verkehrsanbindung und die Größe beider Städte berücksichtigt und eine Vergleichbarkeit zwischen Dachau und Freising angenommen. "Dass Freising im Vergleich zu Dachau aufgrund seiner Geschichte und Bauwerke, der Flughafenanbindung und der Hochschulen möglicherweise attraktiver erscheint, ändere hieran nichts", schreibt Kastlmeier.

Was ein Mietspiegel bringen kann, zeige das Beispiel Erding, sagt Zinkernagel. "Seitdem gibt es dort kaum mehr Prozesse wegen Mieterhöhungen", sagt der Mietervereinschef. In Erding habe sich der Einsatz des dortigen Mietervereins ausgezahlt. Dessen Vorsitzende Eva Kolenda habe 2008 sogar rund 15 000 Euro an Spenden gesammelt, um das Argument "zu teuer" auszuhebeln. Das habe den Stadtrat überzeugt und inzwischen würden die Mittel in Höhe von 40 000 Euro in vollem Umfang alle vier Jahre bewilligt. "Eigentlich ist es aber nicht Aufgabe von Privatpersonen, das Geld aufzubringen. Wenn Freising der Mietspiegel zu teuer sei, könne man ja auch auf Spenden aus der Wirtschaft denken. Denn es sei auch im Sinne der Betriebe, dass ihre Mitarbeiter günstige Mietwohnungen haben.

Die Aktenzeichen der beiden Urteile lauten: Amtsgericht Freising: AZ 5 C 290/14; Landgericht Landshut: 13 S 2583/15

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: