Infrastruktur:Radfahren in der Stadt

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Der Chemie-Professor Rolf Schödel hat bereits viele Kollegen und Studenten dazu motiviert, mit dem Fahrrad zum Campus zu fahren. (Foto: Marco Einfeldt)

Rolf Schödel vom ADFC schwört auf das Fahrrad als schnellstes und bequemstes Fortbewegungsmittel. Auch in der Stadt Freising, obwohl der Chemie-Professor die Situation für Radfahrer für verbesserungswürdig hält

Interview von Christoph Dorner, Freising

Rolf Schödel ist mit gutem Beispiel vorangegangen. Der Chemie-Professor ist an diesem Morgen mit dem Tourenrad zu seinem Arbeitsplatz an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf gefahren - wie viele seiner Studenten. Schödel engagiert sich auch im Freisinger ADFC-Kreisverband. Er spricht über Radfahren als Trend, die gefühlte Sicherheit im Sattel und die Innenstadt als "Shared-Space"-Zone.

SZ: Herr Schödel, ist 2015 ein gutes Jahr für das Fahrrad?

Rolf Schödel: Die Solarfreunde Freising haben das Jahr 2015 ja zum "Radljahr" erklärt. Eigentlich ist 2015 aber genauso gut oder schlecht für das Fahrrad wie jedes andere Jahr.

Man hat zumindest seit längerem den Eindruck, dass Fahrradfahren wieder in Mode kommt.

Radfahren ist seit Jahren schwer im Aufwind. Das hat damit zu tun, dass das Umwelt- und das Gesundheitsbewusstsein der Menschen gestiegen sind. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Fahrrad im städtischen Bereich das schnellste und bequemste Fortbewegungsmittel ist. Mit dem Rad muss ich jedenfalls nicht ewig nach einem Parkplatz suchen.

Wie ist es bei Ihnen an der Hochschule? Immerhin müssen die Radfahrer da den Weihenstephaner Berg hinauf?

Ich begleite seit 15 Jahren die Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit". Ziel ist es, so viele Professoren, Mitarbeiter und Studenten wie möglich vom Auto aufs Fahrrad zu bringen. Die Zahlen sind kontinuierlich angestiegen. Wir sind 2000 mit einem Teilnehmer gestartet . . .

Lassen Sie mich raten: Das waren Sie!

Ja, das war ich. 2014 waren es bereits 61 Menschen, die von Juni bis August an mindestens 20 Tagen mit dem Rad an die Uni gekommen sind. Und wenn 61 Menschen weniger mit dem Auto zum Campus fahren, entspannt sich die Parkplatzsituation schon merklich.

Menschen steigen aufs Fahrrad um, wenn sie sich auf den Straßen sicher fühlen. Wie ist das in Freising?

Das wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Ich fühle mich hier in der Stadt sicher, weil ich ein erfahrener Radfahrer bin und weiß, wie ich mit dem Autoverkehr umgehen muss. Aber gerade jüngere und ältere Verkehrsteilnehmer fühlen sich mancherorts unsicher.

Haben Sie ein Beispiel?

Den Weg zum Schulzentrum an der Wippenhauser Straße. Dort sind morgens Autos, Busse, Motorräder, Radfahrer und Fußgänger unterwegs - und alles wuselt kreuz und quer durcheinander. Im Arbeitskreis "Fahrradstadt Freising" haben wir festgestellt, dass hier eher eine gefühlte Unsicherheit wahrgenommen wird, denn laut Unfallstatistik der Polizei ist die Wippenhauser Straße kein Unfallschwerpunkt. Die Menschen fühlen sich hier zwar nicht sicher, sind es aber im Prinzip doch, weil Busse und Autos nicht schnell fahren können, wenn derart viel los ist.

Der Radler zeichnet sich im Stadtverkehr dadurch aus, dass er fast so schnell sein kann wie ein Auto, er ist dabei aber so ungeschützt wie ein Fußgänger.

Deshalb behalte ich als Radfahrer ständig das Verkehrsgeschehen im Auge. Ich suche vor dem Abbiegen Blickkontakt zu Autofahrern. Ich gebe ordnungsgemäß meine Richtungszeichen, bleibe an roten Ampeln auch wirklich stehen. Dann nehmen die allermeisten Autofahrer auch Rücksicht.

Das Klischee von den bösen Autofahrern und den guten Radfahrern hält sich hartnäckig. Dabei missachten Radfahrer in der Regel mehr Verkehrsregeln als Autofahrer.

Sie legen sie zumindest sehr zu ihren Gunsten aus. Und auch die Fahrradsicherheit lässt oft zu wünschen übrig. Wir beim ADFC haben den Eindruck, dass der Verkehrsteilnehmer immer in seiner jeweiligen Rolle alle Rechte für sich beansprucht. Als Autofahrer, wenn er mit dem Auto unterwegs ist. Dann sind Radfahrer und Fußgänger automatisch seine Gegner. Als Radler sieht er die Sache dann genau umgekehrt.

Rächt sich jetzt, dass man vielerorts lange dem Auto die Vorfahrt gewährt hat, ohne sich um ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer zu kümmern?

Gut funktioniert dieses Nebeneinander in Erlangen, das vom ADFC als fahrradfreundlichste Stadt ausgezeichnet worden ist. In der Innenstadt hat man den Autoverkehr ausgesperrt und "Shared-Space"-Zonen eingerichtet, wo Radler, Fußgänger und Busse sich kreuz und quer fortbewegen. Und das funktioniert recht gut, weil in der Stadt über Jahrzehnte hinweg auch ein Bewusstsein für den Radverkehr gewachsen ist. Dieser Prozess beginnt in Freising erst.

In Freising beschwert man sich, sobald zu viele Räder in der Innenstadt herumstehen.

Es ist auch teilweise etwas chaotisch. Es wäre gut, wenn es mehr Fahrradständer gäbe. Die müssen dann aber auch zum Beispiel vor den Geschäften stehen, in denen viele Menschen einkaufen. Sonst werden sie nicht benutzt und nehmen nur den Fußgängern Platz weg.

Sind Sie für eine Innenstadt ohne Autoverkehr?

Ja, auf jeden Fall. Der Busverkehr und der Lieferverkehr am Morgen sollten aber erlaubt sein.

Hat denn die Stadt Freising sonst eine gute Infrastruktur für Radfahrer?

Die ist verbesserungswürdig. Daran arbeiten wir aber im Arbeitskreis "Fahrradstadt Freising". Dort schauen wir bei jeder Straße, ob wir etwas für die Radfahrer verbessern können, etwa einen Schutzstreifen oder gar einen separaten Radweg. Alle Beteiligten wollen etwas für die Radfahrer tun. Das Problem ist, dass Freising eine alte Stadt ist, dadurch ist die Bebauung sehr eng. Lösungen für Radfahrer scheitern in der Innenstadt oft am fehlenden Platz. Im Innenstadtbereich würde ich eine "Shared-Space"-Zone befürworten. Einen markierten Radweg da hindurch zu legen, würde ich dagegen ablehnen.

Würde das nicht Schrittgeschwindigkeit für alle Verkehrsteilnehmer bedeuten?

Auf dem Papier, ja. Daran würden sich aber mit Sicherheit nicht alle Radfahrer halten. Konflikte zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmern wären damit wieder programmiert.

Im ADFC-Fahrradklimatest liegt Freising bei Städten bis 50 000 Einwohner auf dem 223. von 292 Plätzen. Das ist nicht besonders gut.

Das liegt wohl daran, dass viele Freisinger die Fortbewegung mit dem Rad als gefährlich einstufen, teils sogar als hochgefährlich. Das kann ich verstehen, wenn ich mir die Saarstraße ansehe oder über die Korbinianskreuzung fahren möchte.

Wie ist Qualität des Radwegnetzes im Landkreis?

Der Landkreis hat die Radwege von Gammelsdorf bis Fahrenzhausen in den vergangenen Jahren neu beschildert. Da hat man viel getan, ein sinnvolles Netz zusammenzustellen. Das Glanzstück ist der Bockerlbahn-Radweg hinaus in die Holledau. Dafür sind wir dem Landratsamt und den beteiligten Gemeinden auch dankbar, dass sie das so gut hinbekommen haben. Auch auf der Strecke zwischen Moosburg und Aich ist vergangenen Herbst eine Stelle entschärft worden, indem man an dieser viel befahrenen Straße einen Radweg angelegt hat. Das ist toll. Natürlich bleibt auch im Landkreis radlerisch noch einiges zu verbessern.

Der Freisinger ADFC veranstaltet eine Vielzahl an Radtouren. An wen richtet sich das Angebot?

Es richtet sich an alle Radler. Wir haben Feierabend-Touren, auch gesondert für Frauen. Seit zwei Jahren haben wir zudem ein Angebot für Rennradfahrer, die eher aus Genuss fahren. Es gibt kürzere und längere Touren, von 40 bis 140 Kilometer. Bei den Tagestouren verlangen wir von Nicht-Mitgliedern einen kleinen Obolus von drei Euro.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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