Mammografie-Screening:Harte Geduldsprobe

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Frauen müssen nach der Untersuchung oft lange auf das Ergebnis warten. Die Beteiligung an dem Programm in Freising ist schlecht, doch der Radiologe Thomas Nagelmüller rät zur Brustkrebs-Vorsorge

Von Katharina Aurich, Freising

Jede zehnte deutsche Frau erkrankt einmal in ihrem Leben an Brustkrebs, daher ist die Angst vor dieser Diagnose groß. Weil eine frühe Erkennung die Heilungschancen deutlich erhöhen kann, gibt es seit 2005 das nationale Mammografie-Screening-Programm. Im Alter zwischen von 49 bis 60 Jahre ist das Risiko zu erkranken, besonders hoch. Deshalb werden Frauen in diesem Lebensabschnitt alle zwei Jahre eingeladen, vorsorglich ihre Brüste mit einer niedrigen Strahlendosis röntgen zu lassen, um Tumore im Frühstadium zu erkennen.

Wissenschaftler zweifeln in Studien den Nutzen des Screenings regelmäßig an. Auch die Frauen im Landkreis Freising scheinen nicht von diesem Angebot überzeugt zu sein, nur 40 Prozent der Angeschriebenen nehmen am Screening teil. Trotzdem halten Fachärzte, wie der Freisinger Radiologe Thomas Nagelmüller von der Gemeinschaftspraxis Schuster, Nagelmüller und Schurig, an dem Programm fest. Ihre Praxis ist speziell für die Screening-Einheit Oberbayern Nord zertifiziert. Nagelmüller erläutert im SZ-Interview das Pro und Contra des Programms.

SZ: Was beinhaltet das Mammografie-Screening Programm?

Nagelmüller: 2005 beschloss der Deutsche Bundestag das Mammografie-Screening-Programm (DMS), das das in Süddeutschland schon gut funktionierende bayerische Mammografie-Screening ablöste. Alle 50- bis 70-jährigen Frauen werden über die Einwohnermeldeämter identifiziert und erhalten von der "Zentrale Stelle Mammografie-Screening Bayern" eine schriftliche Einladung zur kostenlosen Mammografie in der regional zuständigen Praxis, um Tumore im Frühstadium zu erkennen.

Warum nutzen bundesweit nur 54 Prozent, im Landkreis Freising sogar nur 41 Prozent der Angeschriebenen diese Möglichkeit?

Dieser Prozentsatz ist nicht schlecht, aber er könnte und sollte höher liegen. Wiederholt teilten mir Frauen mit, sie würden von der Zentralstelle in München einer von ihnen nicht gewünschten Praxis, die zum Beispiel vom Wohnort aus schlecht zu erreichen ist, zugewiesen. Aber dieses Problem lässt sich leicht lösen, denn jede Frau kann sich in Absprache mit der Zentralstelle eine zertifizierte Praxis ihrer Wahl aussuchen.

Welche Vorbehalte gibt es gegen das Screening?

Ich möchte natürlich die Akzeptanz erhöhen, aber Verunsicherungen kann ich nicht ausschließen. Die Statistik sagt, dass von 1000 Screening-Teilnehmerinnen 40 bis 50 einen beunruhigenden Befund erhalten, bei zwölf von ihnen wird eine Biopsie durchgeführt. Dies bedeutet, ihnen wird eine Gewebeprobe entnommen. Bei sechs bestätigt sich der Verdacht auf eine bösartige Tumorerkrankung, vier von ihnen überleben langfristig. Ohne Screening hätten nur drei überlebt.

Rechtfertigen diese Zahlen den Aufwand und die Verunsicherungen vieler Frauen?

Auch wenn nur eine Frau von Tausend gerettet wird, ist das ein Erfolg, auch wenn 40 beunruhigt und sechs unnötig biopsiert werden. Da jede Frau im Laufe ihrer 20 Jahre dauernden Screening-Periode voraussichtlich zehnmal "gescreent" wird, dürfte es sich tatsächlich eher um zehn und nicht um eine zusätzliche Überlebende handeln. Ein Manko ist zwar eine gewisse Wartezeit auf das Ergebnis. Aber auch ohne eine Teilnahme am Screening müssen Frauen nach Routineuntersuchungen oftmals länger auf einen Befund warten.

Ist die Mammografie schmerzhaft?

Das ist unterschiedlich, manche Frauen sind empfindlicher, andere weniger. Außerdem ist die Brust hormonell bedingt nicht immer gleich empfindlich - auch in den Wechseljahren. Wenn abschätzbar, sollte mit der zentralen Terminvergabestelle ein Datum in der voraussichtlich weniger empfindlichen Zeit vereinbart werden.

Durch die immer feineren Verfahren werden Tumor-Frühformen entdeckt, die vielleicht nie krank gemacht hätten.

Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie sich Frühformen entwickeln. Aber wer will das Risiko einer Nichtbehandlung eingehen? Ich würde auch meiner Frau auf jeden Fall raten, eine Frühform behandeln zu lassen.

Wie sicher ist die Analyse der Aufnahmen?

Jede Mammografie wird von zwei speziell geschulten Ärzten befundet. Kommen sie zu zwei unterschiedlichen Ergebnissen, entscheidet anschließend ein dritter Arzt mit ihnen über weitere Untersuchungen wie etwa Ultraschall und eine Probeentnahme (Biopsie). Alle Beteiligten müssen sich kontinuierlich fortbilden, sie befunden regelmäßig und haben dadurch viel Erfahrung.

Wie überzeugen Sie zweifelnde Frauen?

Die Zahl der Brustkrebs-Frühdiagnosen steigt und die Sterblichkeitsrate sinkt. Ursache sind die verfeinerten Untersuchungsmethoden und die verbesserten Therapiemöglichkeiten. Heutzutage werden bereits 70 bis 80 Prozent aller Brustkrebspatienten geheilt. Darum geht es und deshalb halte ich das Screening bis zur Entwicklung einer besseren Methode für sinnvoll.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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