Luthers Tischreden:Erst tafeln, dann reden

Lesezeit: 2 min

Unterhaltsamer Beitrag zum Luther-Jahr: Christian Jungwirth trug am Domberg aus den bekannten Tischreden des Reformators vor. (Foto: Marco Einfeldt)

500 Jahre nach dem Anschlag von Martin Luthers Thesen steht ein musikalisch-literarischer Abend im Kardinal-Döpfner-Haus ganz im Zeichen des Reformators - nur die Kochrezepte stammen von seiner Frau

Von Anne Gerstenberg, Freising

Zu einem musikalisch-literarischen Abend hat am Sonntag die Stiftung Bildungszentrum geladen. Der gelungene Abend im Programm der "Sommerkulturnacht: Menschen bewegt" auf dem Domberg widmete sich "Luthers Tischreden". Wenigen Menschen seiner Epoche kommt man - 500 Jahre nach dem Thesenanschlag - heutzutage noch so nah wie Martin Luther in seinen Tischreden.

Im Wittenberger Lutherhaus wurde stets in großer Runde schweigend, dem Klosterkonvent folgend, gegessen. Im Anschluss versammelte eine ausgewählte Männerrunde um den Reformator. Er sprach dort frei und spontan zu den verschiedensten theologischen wie weltlichen Themen. Seine Tischreden umfassen sechs Bände in der Wittenberger Luther-Ausgabe.

Eine bunte Auswahl aus diesen Reden zog sich als roter Faden durch den ganzen Abend. Der BR-Moderator Christian Jungwirth verlieh in fulminanter Weise den Reden Luthers seine Stimme und ließ damit den Reformator selbst vor das Publikum treten. Er sprach zu Themen wie Musik und Bildung, weil Musik " eine der schönsten Künste" sei. "Große Potentaten und Regenten haben die Pflicht, sich um die freien Künste zu kümmern." Außerdem zur Kunst, ein frommes Eheweib zu finden, und über die Grundsätze von Luthers Glaubensverständnis. Einen herrlichen Kontrast bildeten die imaginierten Reden Katharina von Boras, der Frau an seiner Seite, die Christine Brückner in ihrem Buch "Wenn du geredet hättest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen" aufgeschrieben hat.

In der Korbiniansklause des Kardinal-Döpfner-Hauses, die normalerweise nur für Seminare zugänglich ist, wurde zunächst im Kellergewölbe diniert, wie es im Wittenberger Lutherhaus üblich war. Serviert wurde unter anderem ein Rindfleischeintopf an Kardamom-Zimt-Jus nach dem Rezept Katharina von Boras. Zum Aperitif gab es fruchtigen Honigwein. Begleitet wurde die Mahlzeit von musikalischen und literarischen Einschüben. Christoph Eglhuber, Spezialist für alte Musik, spielte und sang zeitgenössische Lieder auf der Laute. Auch Luther spielte Laute, schrieb und komponierte Kirchenlieder. Die drei Textblöcke handelten vom Essen und Trinken, Glauben und Geselligkeit und der Weiblichkeit.

Im Anschluss an das Essen spielte das Freisinger Domorchester. Glück hatten die Konzertveranstalter mit dem Wetter. "Wenn Luther seinerzeit auf den Domberg gekommen wäre, dann hätte es geblitzt und gewittert", scherzte Dommusikdirektor Matthias Egger. Pünktlich zum Konzertbeginn endete das Sommergewitter und das Konzert konnte unbehelligt im stimmungsvoll erleuchteten Renaissancehof des Kardinal-Döpfner-Hauses stattfinden. Dieses richtete sich thematisch auch nach Festen und Banketten. Im 16. Jahrhundert zur Zeit Luthers kam die sogenannte "Tafelmusik" auf, die erbauend und unterhaltend als Hintergrundmusik zu festlichen Gelegenheiten gespielt wurde und der gehobenen Tanzmusik ihrer Zeit nahesteht.

Präsentiert wurden zwei Suiten aus der Sammlung von Tänzen "Banchetto Musicale" von Johann Hermann Schein, erschienen 1617. Mit dem Konzert in Es-Dur für zwei Hörner von Georg Philipp Telemann von 1733 entführte das Programm das Publikum direkt in den Hochbarock. Damals wandelte sich der Anspruch der Komponisten weg von reinen "Begleitmusiken", um mit voller Aufmerksamkeit vom Publikum rezipiert zu werden. Die beiden Solisten Julian Ghani und Lukas Rüdisser brillierten dabei am Horn und dem "Corno da caccia", einem zwischen Horn und Trompete angesiedelten Instrument.

Einen musikgeschichtlich weiten Sprung stellte die "Tafelmusik" von Paul Hindemith dar, die er 1932 für den Plöner Musiktag verfasst hatte. Abschließend verzauberte das Orchester das Publikum mit Bachs dritter Suite für Orchester, eines seiner wohl bekanntesten weltlichen Werke. Nach dem gehaltvollen Mahl und Programm des Abends konnten die Zuschauer zu der ausdrucksstarken und weichen Air, von den Streichern allein vorgetragen, träumen.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: