Leiter der Weihenstephaner Gärten:"Befremdliche Optimierung der Kosten"

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Fast 16 Jahre lang war Bernd Hertle wissenschaftlicher Leiter der Weihenstephaner Gärten, jetzt hat er diese Aufgabe abgegeben (Foto: Marco Einfeldt)

Professor Bernd Hertle ist Experte für natürliche Pflanzbilder ebenso wie für kunstvolle Arrangements in den Beeten. Was er nicht mag, sind Sparmaßnamen in öffentlichen Grünanlagen und ausdruckslose Kiesflächen

Interview von Katharina Aurich, Freising

Die Weihenstephaner Gärten in Freising sind weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannte Kleinode der Gartenkunst, zu denen jedes Jahr Busladungen voller Gäste und natürlich auch die Freisinger Bürger pilgern. Die Besucher erfreuen sich an der Blütenpracht, den Farbzusammenstellungen und sie nehmen Ideen mit nach Hause, ihre eigenen Beete zu gestalten und damit Stimmungen zu erzeugen. Pflanzenkundige entdecken hier immer wieder neue Sorten oder Raritäten.

Für Professor Bernd Hertle ist das der schönste Arbeitsplatz, den er sich vorstellen kann, wie er sagt. Mit wenigen Schritten gelangt er aus seinem Büro in den Sichtungsgarten, auch zum Hörsaal sind es nur ein paar Meter. Häufig nimmt er seine Studenten mit hinaus und zeigt ihnen, was er vermitteln will.

SZ: Woran orientiert sich die Gestaltung eines Gartens?

Hertle: Natürlich daran, was die Besitzer wollen. Dabei geht es um den Stil und die Einbindung in das Umfeld. Der Gestalter erarbeitet nach den Wünschen der Auftraggeber einen Plan, es werden Räume skizziert, die bestimmte Funktionen übernehmen und dementsprechend ausgestattet werden - beispielsweise ein "Wohnzimmer im Freien" mit hoher Aufenthaltsqualität durch eine Terrasse und schmuckvolle Rosen- oder Staudenbeete oder ein Nutzgartenbereich mit Platz für Obst und Gemüse.

Natürlich gibt es unterschiedliche Vorlieben und Strömungen in der Gestaltung, naturnahe oder eher "gestylte" Gärten, solche, die reich an Pflanzen sind oder eher minimalistisch ausgestattet. Die Vorlieben ändern sich, auch der Garten unterliegt Modeeinflüssen. Heutzutage sind leider ausdruckslose Kiesflächen sehr verbreitet. Für mich ist ein vielfältig mit Pflanzen gestalteter Garten am schönsten.

Welche Aufgaben hat der Sichtungsgarten zu erfüllen?

Er ist ein für Besucher zugänglicher Versuchs- und Lehrgarten. Wir möchten die ganze Vielfalt der Staudenverwendung zeigen. Da gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten: Pflanzen können beispielsweise bandartig angeordnet, wie zufällig kombiniert oder rhythmisch in Leit- und Begleitstauden gruppiert sein. Wir zeigen geeignete Pflanzen für unterschiedliche Standorte, pflegeleichte Zusammenstellungen oder auch aufwendigere. Und wir testen Gehölz- und Staudensortimente sowie Rosenneuheiten, ob sie sich in Gärten bewähren.

Welche besondere Pflanzungen gibt es im Sichtungsgarten?

Neben Pflanzbildern, die sich an natürlichen Pflanzengesellschaften orientieren, leisten wir uns kunstvolle Arrangements wie die "rote Rabatte", die pflegeaufwendig ist, weil Dahlien, Rizinus und Sommerblumen jährlich neu gepflanzt werden müssen. In diesem Beet stehen ausschließlich Pflanzen mit roten Blüten, von scharlachrot bis orangerot, die nur durch das Grün der Blätter ergänzt werden. Auch das große Pfingstrosenbeet ist eine Perle unserer Gärten. Pfingstrosen zählen zu den ältesten Kulturpflanzen und galten im alten China als Symbol für Glück und Reichtum. Im Sichtungsgarten wurden die ersten Pfingstrosen in den 1950er Jahren gepflanzt, einige Exemplare sind bereits über 60 Jahre alt. Dazwischen haben wir Pracht-Storchschnabel und Schleier-Frauenmantel gepflanzt, so dass kaum Unkraut hochkommt und der Pflegeaufwand nicht so hoch ist.

Das hört sich trotzdem nach viel Arbeit an.

Ja, zumal wir im Zuge der Umstrukturierung, als acht einzelne Institute zum Institut für Gartenbau zusammengefasst wurden, Arbeitsplätze verloren und seit vielen Jahren niemanden mehr eingestellt haben. Ich habe großen Respekt vor unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Weihenstephaner Gärten sehr engagiert und mit hohem Sachverstand pflegen. Derzeit haben wir endlich eine Meisterstelle der Fachrichtung Stauden zu besetzen - aber wir finden niemanden.

Woran liegt das ?

Es werden immer weniger Meister ausgebildet und die wenigen Gärtnermeister sind sehr gefragt. Dazu kommt, dass Freising eine teure Stadt ist und das Salär, das wir bieten können, ist nicht üppig. Deshalb geht ein Meister, der eine Familie hat, nicht hierher, wo er die Lebenshaltungskosten kaum stemmen kann.

Wie entwickeln sich die Studentenzahlen in Ihrem Studiengang?

Wir haben ein tolles Studienangebot und bisher sind die Anfängerzahlen im Gartenbau konstant hoch, aber es kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, da müssen wir uns anstrengen, dass die jungen Leute zu uns kommen. Wir haben Studierende, die aus einem Gartenbaubetrieb stammen und das Studium ist für sie das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis. In unseren dualen Studiengängen absolvieren die Studenten begleitend zum Studium eine Ausbildung zum Gärtner oder sammeln in Verbindung mit einem Partnerbetrieb vertiefte Praxiserfahrungen und knüpfen auf diese Weise Kontakte zu späteren Arbeitgebern. Im Modulstudium bietet unsere Hochschule zum Beispiel Vorlesungen über Gehölz- oder Staudenkunde für Menschen aller Altersgruppen an, die nicht voll studieren, sondern sich in einzelnen Bereichen gezielt weiterbilden möchten.

Zum Abschluss: Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Wir sollten uns an unseren Vorfahren ein Beispiel nehmen. Sie haben wunderbare Gärten, wie zum Beispiel die Barock- oder Landschaftsgärten geschaffen, die Jahrhunderte überdauern und an denen wir uns erfreuen. Heute denkt man als erstes daran, wie man bei der Neuanlage eines Gartens oder auch beim Unterhalt einer öffentlichen Grünanlage sparen kann. Diese Optimierung der Kosten empfinde ich als befremdlich und wünsche mir, dass wir die Gärten um uns herum, die unser Leben bereichern, wieder mehr Wert schätzen.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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