Langwierige Verfahren:Stress mit der Bürokratie

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Die Arbeit mit Flüchtlingen überfordert viele Ehrenamtliche weniger als undurchsichtige Verwaltungsvorschriften. Angebotene Fortbildungen sind willkommen, aber eine professionelle psychologische Betreuung wäre dringlicher

Von Christian Gschwendtner, Freising

"Mein Gott, was ist die Belastungsgrenze", sagt Erwin Girbinger. Manche fühlen sich überfordert, andere nicht. Mit diesen Worten beschreibt der altgediente Flüchtlingshelfer aus Moosburg die aktuelle Gefühlslage der etwa 900 Ehrenamtlichen im Landkreis Freising. Bei 22 Helferkreisen fällt es nicht nur ihm schwer, eine allgemeine Tendenz auszumachen. Zu unterschiedlich ist die Lage in den Gemeinden vor Ort. Von einer kollektiven Burnout-Gefahr will aber noch niemand sprechen. Stattdessen sorgen die oft undurchsichtigen Verwaltungsvorschriften und die langwierige Asylverfahren zunehmend für Desillusionierung bei den Ehrenamtlichen.

"Es kommt einfach nichts zu Potte", sagt Barbara Beischler vom Flüchtlingsunterstützerkreis der evangelischen Kirchengemeinde Neufahrn. Das eigentliche Problem sei nach wie vor die Bürokratie. Beischler findet es falsch, dass Asylbewerber keine Praktika machen dürfen, dass eine Nigerianerin aus ihrer Unterkunft in Neufahrn nach drei Jahren noch immer keinen Bescheid zu ihrem Asylantrag erhalten hat. Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da. So gut wie jeder ehrenamtlich Engagierte, mit dem man spricht, hat ein Beispiel parat, das zeigt, wie es zwischen Behörden und den freiwilligen Helfern bisweilen knirscht.

Das weiß auch Irmgard Eichelmann, die Asylbeauftragte im Landratsamt Freising. "Es gibt immer mal wieder Verstimmungen", sagt Eichelmann. Das sei aber ganz normal bei der aktuellen Mammutaufgabe. "Weder haben die Ehrenamtlichen immer Recht, noch haben wir immer Recht", sagt Eichelmann. Sie wirbt um Verständnis. Schließlich sei das Landratsamt nur die ausführende Behörde. Und gesetzliche und verwaltungstechnische Überlegungen könne man unmöglich mit den Ehrenamtlichen diskutieren.

Die aktuelle Fortbildungsreihe für freiwillige Flüchtlingshelfer, die das Kardinal-Döpfner-Haus in Freising demnächst zum zweiten Mal anbietet, wird an diesem Grundproblem nichts ändern, sagt der Moosburger Erwin Girbinger. Angesichts der chaotischen Zustände rund um das federführende Bundesamt für Migration müsse man eher von einem "Verwaltungsnotstand" sprechen. Nicht wenige Ehrenamtliche in Freising und Umgebung finden Crashkurse über den "Umgang mit psychischen Belastungen und Traumata" ohnehin wenig ergiebig. Was es stattdessen bräuchte, sei eine professionelle psychologische Betreuung. Nur ist die für die große Mehrheit der 2002 Flüchtlinge im Landkreis aktuell nicht zu bekommen.

Das muss nicht automatisch heißen, dass die angebotenen Kurse des Kardinal-Döpfner-Hauses keine Daseinsberechtigung haben. Auf die erste Kursreihe mit dem Namen "Hilfe für Helfer" vor einem Jahr sei der Ansturm groß gewesen, berichtet Organisatorin Kathrin Steger-Bordon. Es habe sogar eine Warteliste gegeben. Auch für dieses Jahr erwartet sie viele Anmeldungen. Mit Bettina Riep kann Steger-Bordon auf alle Fälle wieder rechnen. Die ehrenamtliche Helferin aus dem Landkreis Erding hat in den Kursen gelernt, Privatleben und soziales Engagement besser zu trennen. Geholfen hat Riep auch das Deeskalationstraining. Einmal befand sie sich mit einem depressiven Flüchtling, der gerade nicht gut auf sie zu sprechen war, alleine in einem winzigen Zimmer. Der junge Mann hegte den unbegründeten Verdacht, die Helferin würde über ihn tratschen. Passiert ist nichts. Aber Riep hat sich in dieser Zwangssituation damals gedacht: "Hoppla, das hast du anders gelernt."

© SZ vom 28.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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