Landwirte:Der Frust sitzt tief

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Bei einer Diskussion der Grünen geht es um die Zukunft der Landwirtschaft. Das Podium ist sich einig, sie liegt im Öko-Landbau. Konventionelle Bauern verteidigen sich und verweisen auf die Konkurrenz im Osten

Von Petra Schnirch, Freising

Die Landwirtschaft befindet sich in einer Zwickmühle. Der Abstand zu einem Großteil der Bevölkerung werde von Tag zu Tag größer. "Viele wissen gar nicht mehr, was Landwirte machen", sagte Biobauer Franz Lenz am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion der Grünen. Gleichzeitig sehen sich vor allem konventionell arbeitende Landwirte spätestens seit dem Erfolg des Volksbegehrens zur Artenvielfalt an den Pranger gestellt. Im "Grünen Hof" in Lerchenfeld suchten die Teilnehmer nach einem Weg aus dem Dilemma. Es moderierten Agrarwissenschaftlerin Veronika Hannus und Joana Bayraktar von der Grünen Jugend.

Zumindest für die drei Diskussionsteilnehmer auf dem Podium war die Antwort ganz klar: Es muss in Richtung Öko-Landbau gehen, "das ist die einzige Chance, auf die Füße zu kommen", sagte Lenz, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands in Ebersberg. Gisela Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion und ebenfalls Biobäuerin, sieht in der regionalen Vermarktung großes Potenzial - und in Kantinen als Abnehmer von Bio-Lebensmitteln. Auch die EU-Agrarpolitik müsse geändert werden, forderte der Freisinger Grünen-Kreisrat und Bio-Landwirt Toni Wollschläger. "Die Flächenprämien müssen weg, sie sind völlig kontraproduktiv." Stattdessen sollten ökologische Leistungen honoriert werden. Er ging noch einen Schritt weiter: Bestimmte Spritzmittel sollten besteuert werden. "Jeder Bauer kann ohne Glyphosat auskommen." Auch für eine Stickstoffsteuer trete er ein. Mit dem Vorstoß, die ersten Hektar besser zu fördern, was der kleinteiligeren Landwirtschaft in Bayern zu gute käme, sei der Freistaat bisher gescheitert, ergänzte Sengl.

Es gehe nicht um Schuldzuweisungen. Jahrelang sei es in der Landwirtschaft, wie in der Gesellschaft, nur um eine Steigerung der Effizienz gegangen. Die Veränderungen im Bewusstsein der Leute, gerade aufgrund der Berichte über das Artensterben, hätten die Landwirte aber nicht begriffen, sagte Sengl an die Adresse des Bauernverbands gerichtet.

Im Laufe des Abend wurde die Diskussion immer emotionaler, der Frust sitzt bei vielen offenkundig tief. Freisings BBV-Kreisobmann Georg Radlmaier sagte, es sei nicht fair, die Landwirte zu den Hauptverantwortlichen des Artensterbens abzustempeln. Das liege an der gesamten Infrastruktur. Die landwirtschaftlichen Böden seien sogar besser geworden. Auch Hans Gasteiger sprach von einem "Bauern-Bashing", er fühle sich "gedemütigt". Wenn man zum Düngen aufs Feld fahre, müsse man sich inzwischen sogar den Stinkefinger zeigen lassen. Er verteidigte auch die bisherige Flächenförderung. Dies sei ein Ausgleich dafür, dass die Erträge, etwa für Weizen oder Milch, in den vergangenen Jahren immer geringer geworden seien. "In Bayern ist die Welt noch einigermaßen in Ordnung", bekannte er und bekam von Kollegen Applaus. Man müsse aber mit Großbetrieben im Osten, etwa in Polen, konkurrieren. "Die machen die Preise kaputt." In diesem Punkt gingen die Meinungen stark auseinander. Gerade diese großen Betriebe profitierten von der Flächenprämie, hielt ihm Wollschläger entgegen. "Ihr verteidigt ein System, das euch kaputt macht", ergänzte Sengl.

Auch dem Verbraucher sprachen die Landwirte Verantwortung zu. Ein Bauer berichtete, dass er seinen Betrieb seit Kurzem biologisch bewirtschafte. Seine Milch müsse er aber weiterhin zu niedrigeren Preisen verkaufen, weil die Molkereien derzeit keine weitere Bio-Milch benötigten. Der stellvertretende BBV-Kreisobmann Ralf Huber spitzte die Aussage noch etwas zu: "Viele Landwirte sind bereit umzustellen, aber keiner kauft das Zeug."

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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