Kreishandwerksmeister beklagt Lehrlingsmangel:"Alle wollen nur noch in die Schule"

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Im Sommer steigt die Zahl der Arbeitslosen meist etwas an. Gerade für Jugendliche auf Ausbildungssuche stehen die Chancen noch gut, bis Herbst etwas Passendes zu finden. (Foto: Marco Einfeldt)

Beim Wirtschaftsgespräch des Stimmkreisabgeordneten Herrmann wird deutlich, dass Asylbewerber die Lücken nicht schließen können

Von Johann Kirchberger, Freising

"Es gibt keine Lehrlinge mehr", stellte Kreishandwerksmeister Martin Reiter lapidar fest. Anders als vor einigen Jahren, als alles versucht worden sei, junge Leute in Betrieben unterzubringen, suchten heute die Firmen händeringend nach Nachwuchs. Vor allem für schwere Arbeiten finde sich kaum jemand, trotz guter Bezahlung, klagte Reiter bei einem Wirtschaftsgespräch, zu dem der Stimmkreisabgeordnete Florian Herrmann am Freitag eingeladen hatte. "Alle wollen nur noch in die Schule gehen", so Reiter.

Durchaus erfreulich fand es naturgemäß Karin Weber, Chefin der Agentur für Arbeit in Freising, dass ihr Bezirk die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa aufweist. Dem Handwerk macht diese Situation aber Probleme, wie Reiter bemerkte. Herrmann erinnerte daran, dass einst Erich Irlstorfer eine "Ausbildungsoffensive" gegründet habe, um Schulabgängern zu einer Lehrstelle zu verhelfen. Diese sei weitgehend überflüssig geworden.

Asylbewerber könnten die Lücken nicht schließen, hieß es. Zwar gebe es viele junge Flüchtlinge - Weber sprach von 600 unter 25 Jahren, die im Landkreis Arbeit suchten - aber die Wenigsten erfüllten die Anforderungen. Das größte Hindernis seien dabei die Sprachprobleme. 50 Auszubildende seien momentan aus dem Kreis der Flüchtlinge bei der IHK im Landkreis registriert, sagte Reiter, ein paar Bäcker, die meisten arbeiteten im Hotelgewerbe, wie Weber ergänzte. Doch auf dem Bau, so Reiter, komme kaum einer an. Lobend erwähnte er die Bemühungen der Berufsschule, "aber die Leute müssen auch kommen und wollen". Dabei hätten die Flüchtlinge die Chance, mindestens fünf Jahre bleiben zu dürfen, wenn sie eine Ausbildung haben. Viele aber, so Reiters Einschätzung, seien mit zu großen Erwartungen nach Deutschland gekommen: "Lehre, Geld verdienen, Auto kaufen." Es brauche seine Zeit, um zu erkennen, "wie schwer das ist".

Neben den Asylbewerbern gebe es noch eine andere problematische Gruppe, warnte Reiter. So seien momentan im Landkreis 150 Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz registriert, "alles problematische Fälle". Sie seien an der Berufsschule in JoA-Klassen untergebracht (Jugendliche ohne Ausbildungsplatz), ihnen fehle meist jegliches Selbstbewusstsein, sie zeigten keine Initiative und ihren Eltern sei egal, was aus ihnen werde. Etwa 20 verschiedene Programme gebe es, so Reiter, um diesen Jugendlichen zu helfen. Aber ein Mindestmaß von Mitwirkung müsse da sein. Immerhin schafften es etwa 20 Prozent am Ende doch irgendwie, der Rest verschwinde, wenn die Schulpflicht abgelaufen sei.

Probleme ganz anderer Art hat die Landwirtschaft. Das beginnt bei der oft verspäteten Betriebsübergabe, wie Gerhard Stock vom Bayerischen Bauernverband sagte, dem Bauen im Außenbereich und dem Wegfall der Absatzmärkte in China und Russland, was vor allem die Milchbauern zu spüren bekommen. Dies führe dazu, dass immer mehr Betriebe aufgeben. Im Landkreis gebe es nur noch 650 Vollerwerbsbetriebe - darunter 120 Hopfenbauern - und knapp 1000 Nebenerwerbslandwirte. Wegen der hohen Zahl leer stehender Bauernhöfe habe sich bereits der Landtag damit beschäftigt, welche Nachnutzungen erlaubt werden könnten, sagte Herrmann. "Das können natürlich keine Wohnanlagen sein", meinte er, "aber eine vernünftige Nutzung muss möglich sein".

Wie Reiter berichtete, würden immer mehr Handwerksbetriebe ihre Werkstätten auf einen aufgelassenen Bauernhof auslagern. "Ein kleiner Handwerker kann sich Preise von 300 Euro für den Quadratmeter in einem Freisinger Gewerbegebiet nicht leisten". Rupert Feller vom Gewerbeverband bestätigte das. "Die gehen alle raus aufs Land."

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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