Kosten in Höhe von gut drei Millionen Euro:Perfektion hat ihren Preis

Lesezeit: 3 min

Die Tagwerk-Biometzgerei in Niederhummel eröffnet am Sonntag mit einem Tag der offenen Tür. Oberstes Ziel ist eine möglichst stressfreie und tiergerechte Schlachtung sowie Transparenz für die Kunden

Von Gudrun Regelein, Niederhummel

Die ersten Tiere sind bereits geschlachtet worden - zwei Rinder und zwölf Schweine. Allerdings nicht in der neuen Tagwerk-Biometzgerei, die am Sonntag bei einem großen Fest ihre Eröffnung feiern wird. Selber habe man für das Schlachten nämlich noch keine schriftliche Genehmigung, aber "wir brauchen doch Wurst für unser Fest", sagt Tagwerk-Vorstand Reinhard Gromotka. Produziert werden dürfe aber schon, und so wird es bei der Eröffnung auch frische Weißwürste geben.

Eine eigene Biometzgerei ist sei etwa zehn Jahren ein großer Wunsch der Tagwerk-Genossenschaft gewesen, sagt Gromotka. Zwar sei man mit dem bisherigen Lohnschlachten und Lohnmetzgern zufrieden gewesen, aber das Optimum sei das dennoch nicht gewesen. Oberstes Ziel in einer Biometzgerei sei eine möglichst stressfreie und tiergerechte Schlachtung. Hier habe das Töten nichts gemein mit dem in Großbetrieben, wo Tiere herangekarrt und im Minutentakt geschlachtet werden.

Die ausgewählten Rinder und Schweine von Tagwerk-Bauern aus der Region haben eine nur kurze Anfahrt zur Biometzgerei, ihre letzten Tage verbringen sie im Stall, können sich akklimatisieren. Am Tag der Schlachtung werden sie frühmorgens in eine enge Box hineingelockt, fixiert und betäubt - und erst wenn ganz sicher sei, dass die Betäubung wirke, mit einem Stich getötet. "Alles geschieht ohne laute Geräusche, ohne Angst und Stress für die Tiere", betont Gromotka. Verarbeitet werde dann das ganze Tier, von "nose to tail", einfach alles. Erst einmal aber werde es in dem Hofladen und den Tagwerk-Märkten Frischwurst geben, bis zur ersten Salami oder geräucherten Schinken werde es noch dauern.

Fahrt nahm das Projekt vor zwei Jahren auf, als man bei einer über Leader-Mittel finanzierten Machbarkeitsstudie Varianten einer eigenen Biometzgerei entwickelte, erzählt Gromotka. In dieser Phase sei man Bernhard Renner, einem "erfahrenen Metzger", begegnet. Renner und seine Frau hatten damals eine kleine Bullenmast und wollte gerne selber schlachten. Er war von der Idee der Biometzgerei begeistert. Neben seinem Hof gab es noch ein freies Grundstück - der idealer Standort für die Tagwerk-Biometzgerei war gefunden. In den vergangenen zwei Jahren dann sei das Projekt mit drei Gesellschaftern realisiert worden: Neben Bernhard Renner, dem Metzgermeister und Spezialisten für die Produktion, sind das Lorenz Kratzer, ein Tagwerk-Biolandbauer, der für die Tierauswahl zuständig ist und die Tagwerk-Genossenschaft, die sich um die Vermarktung kümmert.

Insgesamt 800 Quadratmeter groß ist die neue Biometzgerei geworden. "Wir haben keinen Billigbau hingestampft", sagt Gromotka. Zwar bestünde das Schlachthaus, "ein sehr technisches Werk", aus Betonwänden - aber im benachbarten Stall habe man versucht, das mit Lärchenholz wieder auszugleichen. Und man habe sich mit der CO₂-Kühlanlage für die umweltfreundlichste, wenn auch sehr teure Variante entschieden. Gut drei Millionen Euro - darunter Darlehen von Genossenschaftsmitgliedern und Leadermittel - wurden in den Neubau gesteckt. Neben einem großzügigen Stall und dem Schlachthaus gibt es die Produktionsräume, in denen das Fleisch sofort verarbeitet wird, ein Gebäude für die Mitarbeiter, in dem ein Seminarraum integriert ist, und einen Hofladen, in denen Besucher Fleisch und Wurst kaufen oder einen Imbiss einnehmen können. Überall sind große Fenster, durch die die Käufer einen Blick hineinwerfen können, sehen können, wie das Fleisch zerteilt und später gekocht wird oder ganz zuletzt in der Räucherkammer hängt.

"Wir wollen eine gläserne Metzgerei sein, alles zeigen, transparent sein.", sagt Lorenz Kratzer. Die Kunden sollen sehen, was hier passiert. Auch in den Stall dürfen diese hinein, dort stehen schon zwölf Rinder, die man von einem Bio-Landwirt, der seinen Hof aufgab, übernahm. Dort steht auch eine Bierbankgarnitur, an der Metzgermeister Renner und seine Mitarbeiter sitzen und gerade ihr Mittagpause machen. Es gibt Kronfleisch, von der ersten eigenen Schlachtung. "Man schmeckt den Unterschied einfach", schwärmt Renner.

"Wir machen es ganzheitlich: Wir haben einen eigenen Stall, schlachten und verwerten", sagt Lorenz Kratzer. Fünf Rinder und zwanzig Schweine sollen zunächst hier jede Woche geschlachtet werden - alles soll mit viel Ruhe geschehen. "Wenn, dann machen wir es perfekt - das ist unsere Devise gewesen", betont Kratzer. Auch beim Tierschutz gebe es keine Kompromisse, "selbst wenn es etwas kostet". Man habe in Niederhummel etwas Einmaliges geschaffen. "In dieser Form sind wir wohl die Ersten in Deutschland", sagt er.

Gefeiert wird die Eröffnung der Tagwerk-Biometzgerei in Niederhummel bei einem "Tag der offenen Tür" am Sonntag, 5. Juli, von 12 Uhr an.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: